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» Ach, laß uns wieder gut sein «

ist die Anfangszeile vom ersten Titel auf der CD mit den Jiddischen Liedern.
Auch war es der Wunschgedanke von einem Kriegskind vor nun schon 70 Jahren, endlich damit aufzuhören alles kaputt zu machen und sich gegenseitig umzubringen.
Die vorliegende Sammlung, ist als Anstoß zum Nachdenken gedacht, das Singen nicht zu vergessen und sich liebzu haben.
Ich hab schon immer gern auch die älteren, aber ewig jungen Lieder gesungen:
Balladen, Romanzen, Volkslieder. In meiner Kindheit hörte ich von Strafgefangenen in unserm Dorf in der Neumark russische Lieder, war von ihrer Art zu singen fasziniert, was ich auch später in meinen Gesang einbrachte, nämlich auf der LP "Nicht Liebe ohne Liebe".
Nach dem Verschwinden des "Eisernen Vorhangs" in der Versenkung, entdeckte ich das Baltikum und die CD "Wenn ich erstmal losleg" (mit der Singerei) wurde produziert - mit Liedern aus Lettland, Estland, Litauen, die das Leben mit ihren kleinen und großen Geschichten, von der Geburt bis zum Grab begleiten; die Länder waren oft besetzt gewesen von Eroberern wie den Germanen, Schweden, Polen, Russen - doch ihre ureigene Geschichte und Sprache, ist in den Liedern festgehalten, derb, federleicht, kühl, poetisch, besonders.
Das Ganze wäre jedoch vergebliche Liebesmüh´ gewesen - ohne die Dichtkunst und das musikalische Gespür von Wolf Biermann, der oft nur aus Motiven vom Original, dem deutschen "Liederschatz" echte Perlen hinzu gefügt hat. Ich habe die Lieder gesammelt, wie manche nach edlen Schmuckstücken Ausschau halten. Diese Leidenschaft wurde noch dadurch geschürt, daß ich Biermanns eigene Texte im Osten nicht öffentlich singen durfte, da er, kurz nachdem wir uns im Jahr 1965 trafen, von der DDR-Obrigkeit verboten wurde. Auch Bertolt Brechts Lieder waren den Herrschenden oftmals ein Dorn im Ohr, je nach Wetterlage am kulturpolitischen Himmel. So sang ich halt Lieder aus aller Welt, die der Liedermacher "Unbekannt" so schön frech und frei ins Deutsche "transportiert" hatte.

Jetzt also die Jiddischen Lieder. Den Anstoß dazu gab Folgendes:
In den 80er Jahren emigrierten aus Russland viele Juden aus Angst vor Pogromen nach Deutschland. Der NDR veranstaltete mit uns ein Benefiz-Konzert. Wolf übersetzte eine Reihe von Liedern aus dem Jiddischen, sang sie natürlich auch selber. Manche der Lieder sind lustig, manche traurig, die besten sind beides. Es gibt ja kaum noch Menschen in Europa die Jiddisch sprechen.
Millionen Juden gingen den Weg in die Gaskammern und ihre Sprache starb mit ihnen. Die Überlebenden nahmen das Jiddische mit ins Exil. Unter osteuropäischen Juden in New York ist diese Sprache heute noch lebendig. Wir sind mit den Liedern auch in Israel aufgetreten, in Tel Aviv, Jerusalem, Haifa.
Die Jüngeren im Publikum dachten vielleicht bei manchen Liedern, sie wären gerade entstanden. Die älteren Menschen aber erinnerten sich mit mehr Glanz als Dunkelheit in ihren Augen an die einst so vertrauten heimatlichen Klänge.
Es sind zumeist traditionelle Lieder. Einige stammen von dem Möbeltischler Mordechaj Gebirgig, der 1942 in Krakau von Soldaten der Wehrmacht erschossen wurde. Er ist berühmt durch sein Lied: "Es brennt". Aber die meisten seiner Lieder erzählen nicht vom Pogrom, sondern vom normalen Leben im Schtetl.
"Wir leben ewig" stammt aus dem Cabaret im Ghetto Wilna. "Still, die Nacht steht voller Sterne" und "Sag nie nicht, du gehst den allerletzten Weg", sind Lieder von Hirsch Glik, der in Estland aus dem KZ floh, als Partisan in den Wäldern kämpfte - und starb.
Und dann gibt es noch die so schmerzhaft schön ans Herz rührenden Liebeslieder; sie sind für mich sowas wie Balsam für die Seele. Auch solche populären "Schlager" wie "Bei mir biste schein" oder "Massel" und "Wo bist du geblieben´n" singe ich mit großem Vergnügen.

Ich danke allen Beteiligten, die mit Lust und Laune, Talent und Können daran mitgewirkt haben, daß den Liedern Flügel wachsen konnten, um Mut zu machen, aufzurütteln, Freude zu verbreiten, zu erinnern und neu gesungen zu werden. Das wünsche ich mir jedenfalls. Und wenn das gelungen sein wird, so ist es zu einem nicht unerheblichen Teil meinem langjährigen Freund, Pianisten und Arrangeur Siegfried Gerlach zu verdanken.
Ich hoffe, daß nicht wieder etwas dazwischen kommt und die Lieder endlich wie Vögel frei durch den Äther segeln können.
Außerdem ist es auch als Geschenk an mich selber gedacht - zum Runden Geburtstag von Eva-Maria Hagen persönlich.
Hamburg - im Jahre 2014.

Gesang:
Eva-Maria Hagen
Arrangements und Piano: Siegfried Gerlach
Saxophon, Klarinette, Flöte: Thomas Gramatzki
Trompete, Flügelhorn: Hubert Stollenwerk
Violine: Matthias Brommann
Kontrabass: Andreas Henze

 


Ach, laß uns wieder gut sein - Inlay


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