Alles zu Wolf Biermann

 

1977 - DAS SCHAUSPIELHAUS HAMBURG

Wir stellten Wolf Biermann einige Fragen:

Was ist das für ein Liederabend, und welche Rolle spielt dabei Ihr erstes gemeinsames Auftreten mit Eva-Maria Hagen?

Ich habe mit dem Intendanten Ivan Nagel vereinbart, daß Eva-Maria Hagen und ich im Schauspielhaus am 3. und 10. Oktober einen Liederabend machen. Das wird ein Abend sein, der vielleicht manche Leute, die meine Schallplatten gut kennen, irritieren wird. Wir wollen dort Lieder singen, die nur in bestimmter Weise von mir sind. Es sind Übersetzungen aus anderen Sprachen, Volkslieder, Kinderlieder und Liebeslieder. Für Leute, die einen sehr engen Begriff von Politik haben, sind es unpolitische Lieder. Ich sehe schon manche Eiferer, die sich für links halten, schreien, weil wir es uns dort erlauben, alte und vergleichsweise schlichte Lieder zu singen, die aber - wie eigentlich alle sehr guten Lieder, auch die alten Volkslieder, die durch die Gütekontrolle der Jahrhunderte gegangen sind - sehr politische Lieder sind.

Eva-Maria Hagen ist eine in der DDR hochgeschätzte Schauspielerin. Sie hat neben ihrer Theater-, Film- und Fernseharbeit immer auch Lieder gesungen. Als ich sie 1965 kennenlernte - in dem Jahr, als ich in der DDR Berufsverbot bekam - sang sie schon ganz hübsche Lieder, die ihr dann aber nicht mehr so besonders gut gefielen. Ich machte für sie im Laufe der Jahre immer mal wieder ein paar Übersetzungen, oder komponiert ihr Musiken zu schönen Texten. Das mußten immer solche nicht ganz von Biermann entstammenden Lieder sein, sonst hätte sie damit in der DDR nicht auftreten können. Diese Lieder durfte sie trotzdem nur in relativ kleinen Veranstaltungen vortragen, weil es bekannt war, daß wir eng befreundet sind. Die Lieder - obwohl sie ja aus verschiedenen Sprachen übersetzt waren, oder obwohl es Texte von irgendwelchen guten deutschen Dichtern sind - stanken alle in den Nasen der DDR-Bürokratie nach Biermann. Man wußte es aber nicht so genau.

Wir möchten gerade mit diesen Liedern, die in der DDR weder Underground-Lieder, noch richtig oben waren - die so ein sonderbares Zwischenleben führten - mit diesen Liedern möchten wir das Programm gestalten. Ich mache das Eva-Maria Hagen zuliebe, weil es ihre Lieder sind, die ich für sie geschrieben habe. Außerdem will ich dem Hamburger Publikum in Eva-Maria Hagen eine, wie ich finde, sehr gute Liedersängerin vorstellen. Dieses Programm bedeutet nicht, daß Eva nun grundsätzlich keine von meinen bekannten Liedern singen will. Das kann sie sehr schön. Aber das ist nicht das Thema dieses Abends.

Wenn dieser Liederabend nicht zu lang wird, dann werden wir vielleicht noch Zeit haben, an einem verstimmten Klavier ein paar andere Lieder zu spielen, die ich begleiten werde. Diese Lieder - die alle Eva-Maria Hagen singt - habe ich für eine Dramatisierung des Romans von Heinrich Mann, "Professor Unrat", geschrieben. Peter Zadek hat einmal für sich diesen Stoff dramatisch aufbereitet und - wie ich höre - mit Erfolg aufgeführt. Diese Fassung wurde auch in der DDR gespielt, und Frau Hagen spielte darin die Rolle der Rosa Fröhlich. Ich habe ihr für dieses Stück eine Serie von Liedern geschrieben, denn die Rosa Fröhlich ist ja eine Tingeltangel-Sängerin, die in einer norddeutschen Kneipe um die Jahrhundertwende auftritt. Wir dachten uns, wenn man schon diesen wunderbaren Roman auf die Bühne bringt, und wenn es schon diesen großartigen Film mit Marlene Dietrich gibt - mit dem schönen Lied "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" dann gehört schon viel Mut dazu, das noch einmal fürs Theater zu bearbeiten. Da müßte man schon etwas liefern, was sich im Theater sehr gut machen läßt, nämlich ein paar neue Lieder. Wir wollen - ausgehend von diesen Liedern - uns den Roman noch einmal ansehen und vielleicht eine Dramatisierung zustande bringen, die gut genug ist, aufgeführt zu werden.
   
       

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