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Tagebucheinträge 1968, Juni - August

Tagebuch-Eintragungen und Brief-Ausschnitte im Buch "Eva und der Wolf"– vor 40 Jahren – in der DDR.


1. 6. - Ich begebe mich im 'Tiefflug' nach Dessau. Dort warten drei Busse mit angelassenem Motor; ich bin auf die Minute pünktlich. Es geht zu einer Freilicht-Veranstaltung nach Muldenstein, wo ich Lieder zur Gitarre singe.
2. 6. - Schon früh um acht fahren wir nach Grünheide. Das Dänische Fernsehen will Robert, Wolf, Kind und Kegel auf Zelluloid bannen. Brigitte Martin ist da mit ihren Robert-Kindern, zwei Mädchen, dann noch Freunde aus Dresden. Nina und ich müssen uns in die Büsche schlagen, als die getarnten Nordlichter auftauchen, wir würden den Rahmen sprengen, ablenken vom Thema. Ich geh in den Wald, pflücke Blumen, 19 verschiedene Sorten. Sorgfältig stimme ich die Farben aufeinander ab, flechte ein Allzweckgebinde: Liebesgruß, Grabschmuck, Hochzeitsstrauß um meine Verlassenheit zu schmücken. Abends taumeln wir zu Beat-Musik umeinander rum, trinken Wein, fahren in die Stadt nach Mitternacht, in unser goldnes, großes, festes, selten benutztes Bett. Hier finden wir wieder ganz zueinander, hier fühlen wir uns als heile Einzelwesen, Zwei-in-einem-Boot, auf stürmischer See, segeln im windstillen Hafen ein: Glückskinder sind wir, sanft, selig und matt.

3. 6. - Pfingstmontag. Um 11.23 fährt unser Zug. Ich hab Vorstellung in Dessau. Nina fährt wieder nach Sangerhausen; günstig, daß wir zusammen reisen. Wir haben kein Brot im Haus. Wolf geht rüber zur Familie Münz mit einem Gedicht. (Hübscher Einfall). Telefonisch werden Eva und Nina rübergerufen zum Kaffee und so weiter. Wolf bringt uns zur Bahn anschließend. Nina wird von Halbstarken stark beachtet. Sie wirkt auch schon wie 16 mit ihren 13 Jahren. In Dessau verabschieden wir uns. Ach, sie fehlt mir doch sehr.
Peter Bejach hat mit mir über ein neues Vorhaben des Theaters gesprochen: Can-Can von Cole Porter. Ich soll die Pistache spielen. Bin gespannt, ob es klappt.

4. 6. - Früh um sieben. Ein PKW vom Theater in Neustrehlitz holt mich ab. Ich werde in Prenzlau als Eliza gastieren. Unterwegs erzählt mir der Fahrer, daß er in der Nacht kaum durchkommen konnte, die Staßen waren mit russischem Militär verstoppft. 'Aus allen Löchern kamen sie', sagt er.
Die Probe in N. war miserabel. Es wurden gleichzeitig verschiedene kleine Rollen umbesetzt und ein fremder Doolittle aus Rostock. Der Higgins war ein schlimmer Knödelheini, der mir blaue Flecke - (schon während der Probe) - beibrachte, sich in peinlicher Weise an die Rampe drängte und den Dialog mit mir sprach, als befände ich mich hinten im Zuschauerraum und nicht in seinem Rücken. Geschminkt hatte er sich abends zur Vorstellung wie der Mephisto eines Laientheaters: Herzmund, hochgezogene Augenbrauen. 'Vater' Alfred haute mir auf den Hintern, daß ich im Hotel 'Uckermark' im Spiegel den Schatten einer Hand erkennen konnte. Ich telefonierte mit Wolf, der lieber wollte, daß ich bei ihm wäre. Er 'befahl' mir, schon morgens den Zug um 6 zu nehmen, was ich dann auch tat. Um zehn, als ich bei ihm ankam, schlief er noch verkringelt und ich kroch mit meinem Gesicht in seine Hände, in seine weiche Wärme und es wurde ein ungewöhnlicher Vormittag.

6. 6. - 1. Probe für einen utopischen Krimi. Man hat alle Schauspieler des Ensembles besetzt. Ich hab mich erst geweigert, die Rolle, die keine ist, zu übernehmen, worauf ein 'Muß' folgte. Darüber bin ich unglücklich.
Bei Manfred Krug. Er hat es verstanden, sich mit teuren, meist geschmackvollen Sachen zu umgeben. Ein herrliches Haus, antike Möbel und kostbares Geschirr. Krug ist ein cleverer Mann, guter Schauspieler und kann sehr schön singen. Er ist mir sympathisch, aber einen Tick zu clever für... mehr.

Wolf und Robert machen Versuche für bessere Band-Aufnahmen, Tonqualität, etc. Wagenbach will neben einem neuen Buch, Titel: 'Mit Marx- und Engelszungen', eine kleine Platte rausbringen. Ein Streit ist entbrannt, Wagenbach hält nichts vom 'Deutschen Dunkel', er will den 'William Elmoore aus Baltimoore' stattdessen. Das 'Noch-Lied', 'Drei Kugel auf Rudi Dutschke', 'Ermutigung' und 'Das deutsche Dunkel' - das wär eine runde Sache: Kunst und Politik, Kehren vor der eignen Tür und gleichzeitig über den eigenen Pisspott hinaus. Da würde der 'exotische Schlager': 'Willie, der Wanderer', (Krug) wie ein Zugeständnis aussehen. Nun sagt Wagenbach, die Reihenfolge wäre schon gedruckt. Erpresser!

7.6. - Wohnungsamt Mitte. Vielleicht krieg ich eine 4-1/2 Zimmerwohnung in der Wilhelm-Pieck-Straße, nahe der Friedrichstraße. Vom Balkon aus könnte ich schräg in die Chausseestraße kucken, zu Wolfs Fenster rüber. Wäre das schön, wenn's klappt! Dann würde die zeitraubende Hin- und Herfahrerei aufhören. Außerdem hätte die Wohnung, da sie im 4. Stock liegt, den Vorteil: daß Über-uns-wohnende nach 22 Uhr bei Gesang und nicht auf dem Kopf rumtrampeln würden - und was nicht nur einmal geschah, die Polizei holen. - Große Zimmer. Das eine sogar ein kleiner Saal. Wenn man noch die Flügeltüren zum nächsten Zimmer öffnet, kann man ein Publikum von 100 Personen einladen. Einen Frühstücksbalkon gibt es, mehr ein offener Erker, noch ein Balkon weiter raus, Wohnküche, große Diele. Sei mir der Himmel gnädig!
Ich schlaf wenig, die Nerven sind angespannt, persönlicher Kleinkram und die Weltschrecken bedrücken mich; habe nah am Wasser gebaut. Wolf sagt: Stell den Hahn ab. Ein schwerer Teppich hängt über meinem Himmel.
Der Dichter F. C. Delius ist bei uns. Wir gehen spazieren durch den frühen Abend. Mir ist taumlig. Als hätte ich Medikamente geschluckt. Wolf ist aufmerksam, lieb und plötzlich brüllt er mich an. Ich fahre in die Zelterstraße, habe das Bedürfnis allein zu sein.

8.6. - Radio-DDR veranstaltet im Clubhaus der Gewerkschaften in Halle, anläßlich der X. Arbeiterfestspiele ein Programm aus Schlagern, DDR-Gedichten, Lesungen, Kabarett, Chansons. Ich steh mal wieder auf einem Plakat. Auch Reiner Schöne, der vorige Woche im Westen geblieben ist - echt preußisch: nachdem er sein Programm beendet hatte mit andern DDR-Künstlern, das Geld kassiert, sagte er Good beye und ward nicht mehr gesehen.
Meine Gitarre ist zu laut, sagten mir die Tonmeister - aber sie ist wunderbar. Und mein Gesang ist süß und ich bringe die Leute zum Lachen. Bin aufgeregt, denn öffentlich mit Rundfunkanschluß, das ist neu für mich, zumindest die letzten Jahre. Nach der 1. Strophe werde ich lockerer. Marion van de Kamp, die Gedichte liest, sagt, ich seh aus wie ein blonder Gauguin. (Ich hatte das mir von Emma mitgebrachte Urwald-Pardies-Kleid an). Leute wie Stengel sind da vom 'Eulenspiegel', (der regt die Leute an was zu reimen auf: Der Venuskosmonaut stieg aus und rief verflixt es ist doch nicht zu fassen ... Massen, Tassen, Kassen, lassen). Und Prof. Klemke sagte, unterwegs fiele ihm nichts ein nur wenn ein Muß dahinter stünde. Der Musikmann Lesser hat was einstudiert mit 'nem Chor und der Schriftsteller Otto, inzwischen weißhaarig, saß auch da rum. Ich sang das 'Schäferlied', 'Ein Weib' von Heine in der Vertonung von diesem 'Dingsda', na, wie heißter gleich mal noch... Dann 'Mary Anne', was auch der Dings übersetzt hat aus dem Amerikanischen. Au, wenn die wüßten...
Bei Frau Höhne war ich wieder zum Schlafen. Sie ist ein guter Mensch. Und betet für Wolf, daß er die zwei Jahre heil übersteht. Denn dann bricht seine Zeit an, berichtet sie mit weit geöffneten Augen als würde sie in die Zukunft schauen. Bei Hesekiel steht das, daß der Golem (was der Russe sein soll) abgedrängt wird zu den Heiligen Bergen, eigentlich wollte er mehr in die deutsch-französische Gegend und da wird er dann fürchterlich geschlagen werden und die Mauer wird fallen - doch erst kommt noch ein heißer Sommer.
'Die Mauer steht - Wind drüber weht...

10. 6. - Heute habe ich einen neuen Vertrag mit dem Dessauer Theater abgeschlossen für das Musical: 'Can-Can'. (500M diesmal, statt 400 bei 'Lady'). Ich freu mich auf die neue Theaterarbeit.
Nach Penig zu Karla. Bei ihren Lehrlingen gesungen. Karla hat sich entschlossen, für 1 Jahr zu mir nach Berlin zu kommen, damit ich Nina wieder nach Hause nehmen kann. In Sangerhausen ist sie für länger nicht gut aufgehoben, allein in Berlin, aber auch nicht. Wenn Nina 15 oder 16 ist, wird sie mir nicht mehr soviel Sorgen machen, hoffe ich. Karla ist Erzieherin bei Lehrlingen, sie wird sicher mit Nina zurechtkommen.

14. 6. - Eisleben. Ich zieh mir ein langes tolles Kleid an und singe gegen Mitternacht in der Bar des Kulturhauses des Manfeldkombinats eine Stunde lang meine frechen Lieder zur Gitarre. Den Leuten gefällt die Art. Ich hab beachtlichen Erfolg. Nachts noch nach Sangerhausen zu Nina. Am 15. 6. - sing ich nachmittags bei Erdbeertorte, Wein und Schnaps für die Unter-Tage-Kumpel von Winfrieds Brigade.
Anschließend nach Roßleben, wo die Lehrer des Bezirks Halle ein Treffen haben. Nina ist mitgekommen. Es sind an die 1000 oder mehr Zuschauer. Ich habe sehr großen Erfolg. Nina lobt mich und ist hell begeistert.
Anschließend nochmal nach Eisleben in die Bar. Diesmal sing ich Texte nach Musik von Wolf, seine Übersetzungen und (Pst! Feind hört mit!) 'Paule's Lied von Paule und der Freiheit'. Ich werde übermütig!

Sonntag, 16. 6. 68 - Heißer Sommertag. Ich fahr mit Nina durch den Harz. Wir klauen Kirschen, schwimmen im glasklar-kühlen Wasser der Talsperre bei Wippra. Ein einzigartiger Tag, ich genieße ihn wie eine Kostbarkeit, eine köstliche Seltenheit; die er auch ist... der Sonntag mit Nina. Für Wolf pflücken wir den schönsten Wiesenblumenstrauß aller Zeiten. Abends wieder in Berlin, braungebrannt, müde, ich denke an Nina, muß sie mehr in alles einbeziehen, sie in meiner Nähe haben. Wir brauchen uns.

18. 6. - Um 9 Uhr war ich auf dem Wohnungsamt Mitte. Hab großes Glück: Die Zuweisung für eine Wohnung schräg gegenüber von Wolf bekommen. Es wird Geld kosten, aber Zeit sparen und Nerven, da dieses aufreibende Hin und Her aufhört. Wenn ich allein sein möchte oder muß für paar Stunden, später wieder zusammen sein will mit ihm zum Essen, Schlafen, Singen Spazierengehn, Leute treffen, zuhören, sprechen, - dann ist es nicht gleich ein größeres Unternehmen, Angewiesenseinmüssen auf Auto, Taxi. Zwei, drei Minuten und alles ist realisiert. Auch die vier Treppen, das oberste Stockwerk, ist ein Gewinn. Wir können Krach machen, soviel wir wollen - auch nach 10 Uhr abends. Über uns können keine Leute klopfen oder wie es in der alten Wohnung war - die Polizei holen. Und ein Zimmer ist wie ein kleiner Saal. Wenn man dann noch die Flügeltür zum nächsten öffnet, kann man Theater spielen. 150 Leute könnte man bequem unterbringen.
22.6. - Mit Pastor Kleinschmidt nach Schwerin. Hier ist ein Bezirkstreffen der FDJ. Ich werde bewacht.

4. Juni 68
Mein Lieber, ich schreib Dir während der Fahrt nach Neustrelitz, wo ich als LADY gastiere, d.h. in Prenzlau. Nach der Umbesetzungsprobe in N. Abstecher nach P. Wenn Du einverstanden bist, werd ich drei Tage an die See fahren. Aber ich bin sehr unruhig und besorgt. Der Fahrer sagte mir, daß er kaum durchkommen konnte in der Nacht. Er hat Halt gemacht und im Auto geschlafen. Die Straßen waren total verstopft: Aus allen Richtungen Truppenbewegungen. Lastautos, Jeeps, schwere Panzer, Schwimmdinger, Geschütze auf Tieflader, mehr russische als deutsche. 'Aus allen Löchern kamen sie', sagte er; besonders auffallend, weil zur Zeit nicht eine einzige Uniform zu sehen ist. 'Sicher wieder ein Manöver irgendwo'.
Ich hab mir das 'Neue Deutschland' gekauft. Nichts. Eine kleine Notiz nur über Prag: 'Tagung des ZK der KPC beendet. Das Plenum nahm einige Dokumente an und beschloss den außerordentlichen XIV. Parteitag für den 9. September 68 einzuberufen'. Über Frankreich wird ausführlich berichtet. Man empört sich über einseitige und sinnverdrehende Information, bzw. Darstellung der Vorgänge.
Ich kann nur bitter lachen und habe Angst, um Dich, die Revolution, die kümmerliche Hundeblume, daß sie alles niederwalzen mit ihren Ketten. Ich muß an die systematische Verbreitung von neuen Slogans denken, Äußerungen wie: 'Nichtgefallenlassen', 'Aufweichung des Sozialismus', 'Besudelung des Andenken von Marx und Lenin, Verhöhnung ihrer Lehren...'
Ich bete für Prag, für UNS. Ich möchte Dir sagen: Sei vorsichtig, sei auf der Hut vor den lauernden Eckenstehern, den Ohren an Deinen Wänden, in den Leitungen, aber ich sage Dir auch: Tu alles, was Du noch tun kannst. Mach ein gutes Lied, ein Gedicht, singe, hab keine Angst. Sie können Dir nichts tun. Am liebsten möchte ich sofort zu Dir. Ich bilde mir ein - nein, es ist so, wenn ich in Deiner Nähe bin, bist du geschützter. Bestimmt seh ich zu schwarz. Aber die weißen Spuren der Nacht: aufgeschrammtes Pflaster vor meinen Augen, wie verstreutes weißes Pulver, beschwört schreckliche Bilder herauf: den 17. Juni am Brandenburger Tor, ich war mittendrin im Kessel - und bin gerannt um mein Leben. Das ist lange her, aber. Dann denke ich auch wieder: So schnell schießen die Preußen nicht. Aber wenn sie mal schießen...
Mein Lieber, ich wünschte, Du könntest jetzt einen 'Land-Urbaub' machen, d.h. Urlaub von diesem Land, bißchen weiter weg, aus der 'Schußlinie'. Oder Du hättest Flügel für den Notfall. Achte auf Dich, schlafe viel, Deine Nerven werden bestimmt noch strapaziert werden. Und meine! Und es ist so ein schöner Sommer draußen, so bunt, satt, summend. Wir wollen ins Hexenhaus von Tom B. fahren, rumtoben in den Wellen des balticum moore, heiter sein, uns nicht einschüchtern lassen.
Ich denk an Deinen Mund, an Deine Klappaugen und Dideldum! Eva

4. 6. - Von Dessau übern Berliner Ring - Nauen - Wustermark - Oranienburg - Sachsenhausen - Grannsee..

Lieber W., jetzt wo ich weiß, daß Du gut aufgehoben bist, geht es mir schon ganz gut wieder. Es ist alles so schnell gekommen, ach, ich weiß jetzt auch gar nicht, was ich schreiben soll. Ich hoffe, Dich bald zu sehen.
Ich umarme Dich. Eva


Mein lieber Wolf, Du kannst Dir nicht vorstellen, in was für einer Sorge ich war. Seit dem grauenhaften 21. August, seit morgens um 1/2 8 versuche ich Dich zu erreichen. Ich hatte die Nachrichten gehört ganz früh schon, rief Dich sofort an, aber Du meldetest Dich nicht. Ich machte noch die Probe und entschuldigte mich für die Abendprobe und fuhr nach Berlin. Vorher hatte ich schon bei Flörchingers angerufen, bei Robert, Huchel und Janka. Nichts. Ich bekam große Angst, denn Du schläfst doch immer lange... In Deiner Wohnung ging laut das Radio. Ich sprach mit der Sängerin. Da wußte ich etwas mehr. Ich bat sie, mit niemanden darüber zu sprechen. Hussel half mir hinten das Zimmer aufzumachen. Er trennte die Leisten von der einen Scheibe ab, nahm die Scheibe ab und wir schlossen auf. Es ist alles wieder so wie es war. Wenn der Schlüssel nicht gesteckt hätte, wäre es nicht gegangen. Den Schlüssel vom hinteren Zimmer hab ich jetzt. - Dann suchten die Kinder von Robert ihren Vater, der inzwischen auch verschwunden war. Vormittags hatte ich ja noch mit ihm telefoniert.
Es war eine helle Aufregung. Flori soll inzwischen verschwunden sein. Weil er eine tschechische Fahne rausgehängt hat, hat ihn die Polizei verfolgt. Robert rief mich aber noch an am 21. abends. Gestern rief ich Emma an. Ich bat sie zu kommen heute. Dann kam aber der Bruder von Del... und bestellte von Emma, daß sie keine Flugkarte mehr gekriegt hätte - und Dienstag kommen wollte. Ich bat ihn, ihr auszurichten, daß es nicht mehr nötig sei, daß Du verreist wärst und daß es Dir gut ginge. Zu Marx- und Engelszungen: Die Vorreklame, die Vorabdrucke laufen schon auf vollen Touren. Insgesamt werden in der nächsten Zeit 39 Gedichte aus dem Band in den verschiedensten Zeitungen und Zeitschriften erscheinen. Am nächsten Donnerstag, also in 4 Tagen, in der 'ZEIT' allein 5 und ganz groß das NOCH-Gedicht. Am Montag im Stern, im Spiegel, glaub ich, dann die IG-Metall-Zeitschrift usw. Es ist also nicht mehr aufzuhalten, - ich bete nur, daß die Russen etwas einsichtiger werden; ich kann es immer noch nicht recht glauben, es ist wie ein schlechter Traum. Alle Menschen sind empört, enttäuscht und voll Haß und ohnmächtig. Allerdings scheuen sie sich nicht ihre Meinung zu sagen, es ist ein anderes Klima, als nach dem Volksentscheid oder ähnlichem Brimborium. Ich bin dafür, daß Dein Gedichtband erscheint: Denn er schützt Dich auch gleichzeitig, mußt Du wissen. Die Lieder sind Wahrheit und sie sind wunderbar und großartig, die Menschen warten darauf, es wäre feige, wenn man sie jetzt zurückhält. Auch das Prag-Lied. Ja, es ist gut so. Hab keine Angst, mein Lieber, denk an Dubschek und seine mutigen, klugen Genossen. Denk an die grandiose Haltung des tschechoslowakischen Volkes. Sie werden in der Geschichte zum Kommunismus unvergesslich bleiben, beneidenswert.
Ronald Paris erzählte Huchel, ein Professor von der Uni habe ihm erzählt, Du hättest am Scharmützelsee einen schweren Verkehrsunfall gehabt, man hätte versucht, Angehörige zu erreichen, Du seist ohne Besinnung und mehrere solcher grauenhaften Details. Ich bin dafür, daß ich erfahre wo Du bist. Man könnte mich totfoltern, ohne daß ich es jemanden verraten würde.
Post ist nichts Besonderes, nur von Bieler eine hoffnungsvolle Karte aus Prag. Sie fiel mir am 21. August, am Tag des Überfalls in die Hände. Es wirkte wie ein makaberer Scherz in dem Moment. Aber das Rad der Geschichte... Ich bin wieder etwas zuversichtlicher.
Wir müssen eine Möglichkeit finden, daß ich ab und zu Nachricht von Dir bekomme. Nichts Aufregendes, harmlose Lebenszeichen von Karl oder Paul, Pauline. Hauptsache Deine Schrift. Ich bin immer bei Dir, hörst Du. Immer! Ich habe Dich lieb und sehne mich nach Dir. Ich umarme Dich ganz fest. Ich bin Deine Frau und Deine Eva. - 24./25. August 68

Mein Lieber, es ist ja so schade, daß Du in diesen dramatischen Tagen nicht unters Volk kannst. Es ist aufregend und aufschlußreich. Ich hab wenig geschlafen, dauernd vorm Radio gehockt und bis in die Nacht Diskussionen. Ich lerne Deine Lieder alle singen - gezwungenermaßen! Sei ohne Sorge, ich bin schon vorsichtig. Gisela und Gerd sind vorgestern aus Prag zurückgekommen. Sie waren mitten drin und sind noch ganz erfüllt von den ergreifenden Bildern und entsetzlichen Ereignissen.
Weißt Du schon: Frank und Flori sind verhaftet. Wurde in den Nachrichten gemeldet. Sicher ist es vernünftig, trotz der leicht geklärteren Lage, daß Du noch einige Zeit verreist bleibst. Man weiß bei diesem unberechenbaren Wellengang nicht, wohin das Schiff treibt.
Mein Lieber, ich denke sooft und viel an Dich und ich bin überzeugt, daß unsere Empfindungen über diese ungeheuerlichen Verbrechen und Lügen identisch sind. Aber Du fehlst mir doch sehr, ich bin traurig darüber, daß ich Dir nicht nah sein kann, daß Andere Dir helfen und Du sehr gut ohne mich auskommst. Aber meine Vernunft sagt mir, daß es unmöglich wäre ... im Gegenteil, ich Dir nur schaden würde. Also bin ich schon still.
Die Proben gehen so lala. Es gibt viele äußerliche Schwierigkeiten und ich hoffe, die Premiere wird verschoben. Trotzdem versuche ich, die Arbeit bis zum 15. 9. zu schaffen.
Was meinst Du? Soll Dein Auto da lieber weg. Ich glaub, im Moment besteht keine akute Gefahr für Dich. Es wird erst wieder ernster, wenn Dein Buch auf dem Markt ist. Also solltest Du die Zeit nützen und noch Notwendiges erledigen. Lieder aufnehmen unbedingt. Schade, daß Du in der Blütezeit des Sozialismus nicht mehr Lieder auf das Glück gemacht hast. (Dank Druckausüben von mir eins!) Verfalle jetzt bloß nicht den Klageliedern. Das tschechische Volk hat eine einmalige Haltung bewahrt angesichts der Panzer und eine relativ gute Position erzwungen. Für UNS ist und kann das nur eine Ermutigung sein. Auf die Dauer ist der Sozialismus nicht aufzuhalten, aber wem sage ich das! Das weißt Du alles besser.
In den ersten Tagen dachte ich, es gibt nur eine Möglichkeit: Du mußt dieses Land verlassen. Auch wenn es mir das Herz zusammenschnürt, dieser Gedanke. Aber jetzt sollst Du lieber noch bleiben und nicht aufgeben bei den noch größeren Schwierigkeiten. Solange keine unmittelbare Gefahr für Dein Leben besteht... und falls sie bestand, was Du vielleicht angenommen hast, ist sie jetzt vorüber.
Schreib mir, was ich für Dich erledigen kann. Du weißt gar nicht, wie raffiniert ich sein kann. Welche Irrfahrten ich gemacht habe, um eventuelle Verfolger loszuwerden. Ich bin sicher, daß die alle woanders dringender gebraucht werden - und mir niemand nachspioniert. Aber besser so. Heute ist der 27./28. August. Morgen oder übermorgen bin ich wieder in Berlin. Vielleicht bekommst Du meinen Brief. Ich geh jetzt schlafen und werde so stark an Dich denken, bis ich Dich nah fühle. Ich umarme Dich zärtlich und stark.
P.S. Übrigens Kurt und Gisela sind in Buckow bei Käthe, falls Du sie mal sehen willst. Eben höre ich in den Nachrichten, daß in Prag wieder Demonstrationen stattfinden und erneut Panzer vorgerückt sind. Sicher wird es noch eine Weile hin- und hergehen. Wenn es bloß nicht zu einem großen Krieg kommt. Ich hab mir eine halbeigene Musik gemacht auf das Prag-Lied. Ansätze von Deinen letzten morgendlichen Versuchen hab ich mit 'verarbeitet'. Aber denk jetzt ja nicht, Du könntest faul auf dem Rücken liegen. Du mußt zumindest eine ebenso gute machen. Und 'Der Herbst hat seinen Herbst' singe ich auch einfach. Das ist die Strafe für Deine Faulheit. Du, ich freu mich auf die Freude der vielen Menschen, wenn sie sich Deine Marx- und Engelszungen kaufen. Und dann die 'Handvoll', die sie ja auch vorgesetzt kriegen und die dann schnell aufs Klo müssen. Hihi.


Ich bin in Berlin. Es ist der 29. August 68. Ich war bei d e n unerschrockenen Freunden - und hab erfahren, daß es Dir gut geht. Sie waren sehr verschreckt über meinen nächtlichen Besuch, denn es war schon 23.30 als ich vor ihrer Tür stand. Vielleicht seh ich Dich ja heute - wenn alles klappt.
Gestern hatte ich einen sehr traurigen Augenblick, nämlich als man mir sagte, es wäre nicht gut, wenn ich wüßte, wo Du bist. Ich fühlte mich zu einer ixbeliebigen Freundin 'degradiert', zu der man kein Vertrauen haben kann und ich dachte, naja, vielleicht brauchst Du mich wirklich nicht.
Ich war in Deiner Wohnung. Deine Zimmer hat niemand betreten. (Ich hatte unsichtbare 'Siegel' angebracht - sie sind nicht beschädigt.) Post ist überhaupt keine gekommen, bis auf eine Ansichtskarte, Zeitungen. Die Briefe werden erstmal zurückgehalten, schätze ich. Mein Instinkt sagt mir, Du solltest wieder langsam auf der Bildfläche erscheinen. Es gibt viel wichtige Dinge zu tun. Und ich werde Dir dabei helfen, weil ich Dich lieb habe, weil ich tief davon überzeugt bin, daß Deine Lieder und Gedichte dringend verbreitet werden müssen, damit der revolutionäre Funke, der überall aufglüht in unserm Land, nicht so schnell wieder erlischt, bzw. erstickt wird. Es ist eine günstige Zeit für Deine Lieder. Mehr als je zuvor, werden die Menschen dafür aufnahmebereit sein. Die Tschechen haben Dir den Boden bereitet. Ich bin sicher, auch UNSERE MENSCHEN sehnen sich nach Offenheit, danach, mutiger zu sein, - das kannst Du mit Deinen Liedern wirksam unterstützen oder eine neue Bewegung in Gang setzen. Ich merke das sehr, überall und dauernd werde ich aufgefordert, gebeten, Deine Lieder zu singen.
Falls Du heute nicht da sein wirst, hoffe ich Dich Sonntag zu sehen. Ich habe auch zwei schöne 'Exemplare' besorgt, die die Pharisäer täuschen können, wenn ich mal, um die Ecke gewickelt, die Bibel zitieren darf. So wächst Dir im Geheimen Deine Stärke und Kraft wieder und ich bin aber eine sehr andere Delilah. Ist das zu verworren? Ich glaube, ich möchte Dich wieder lieber so wie Du warst, was diese kleine Seite betrifft.
Ich schreibe Dir das alles, obwohl ich so sehr hoffe, Dich heute zu sehen. Eva.

Meine liebe Nina,, wir haben beide sehr sehr lehrreiche Tage hinter uns, und ich kann mir vorstellen, daß Du die Lektion vom 21. August gut verstanden hast.
Ich freue mich, daß Du auch in der Schule Dich aufrichtig und furchtlos verhältst und daß Deine Zensuren gleichzeitig besser geworden sind. Genau so ist es richtig. Kommunisten müssen nicht nur furchtloser und aufrichtiger sein als die kleinkarierten Streber, die sich auf ein erfolgreiches Leben als gutbezahlte Spießer vorbereiten – Kommunisten müssen auch gebildeter sein als die Mickymäuse, denn wozu nutzte sonst ihre Furchtlosigkeit und was wollten sie durchsetzen !
Du mußt Deine Klugheit aber auch benutzen im kleinlichen politischen Streit in der Schule. Denke immer daran, daß die meisten Lehrer vernünftig sind und nur unter großen Druck stehen und um ihre Arbeitsplätze zittern. Es ist nicht Deine Aufgabe, diese Leute in Atem zu halten und mit peinlichen Fragen zu quälen, denn selbst wenn Du sie überzeugen würdest, dürften sie es ja nicht zugeben, weil sie sonst selbst gefeuert werden. Nimm lieber von ihnen was Du trotzalledem an Wissen von ihnen nehmen kannst. D.h. vermeide, wenn es geht, von Dir aus Konflikte zu provozieren.
Ich werde noch für paar Tage bleiben wo ich bin. Ich will sicherstellen, daß, falls sie mich verhaften wollen oder sonst welche Maßnahmen gegen mich treffen, sie gezwungen sind das zu tun, nachdem mein Buch auf dem Markt und in der Öffentlichkeit ist. Damit allen Leuten sichtbar werden kann, daß sie mich wegen meiner Ideen und künstlerischen Produkte verfolgen und nicht aus den Gründen, die sie schamlos vorschieben werden.
Liebe Nina, Eva muß los und ich will unterbrechen.
Lies Dir den Brief zweimal durch und dann verbrenne ihn bitte, denn Du kennst ja inzwischen die super-ordentliche Arbeit der Stasi-Fritzen, wenn sie eine Haussuchung machen. Schau diesbezüglich nochmal in Deinen Papieren nach. Man muß diesen Herren ja nicht gerade zum Frühstück servieren, was sie gerne hätten.
Ich bitte Dich auch – und zwar in meinem Interesse – sorgfältig zu beachten, was Du mit Eva vereinbarst. Für uns werden gerade die nächsten Wochen hart und gefährlich werden, denn was unsere Herren für Wutanfälle kriegen, wenn sie das neue Buch in den Händen haben, kannst Du Dir vielleicht, wenn Du Deine Phantasie sehr anstrengst, ausmalen.
Bedenke, daß unsere großen Sieger in einer sehr schwierigen Lage sind, weil fast das ganze Volk über die die Okkupation empört ist, von der Welt und den meisten kommunistischen Parteien ganz zu schweigen.
Und noch einen Gefallen tue mir bitte. Versuche Du mit Manuel Verbindung zu kriegen, rufe ihn an oder schnappe ihn nach der Schule, das wäre gut, erkläre ihm so, daß er es versteht, warum ich mich nicht melden konnte. Er soll nicht traurig sein, ich denke jeden Tag an ihn und hab auch schon Sehnsucht nach Jonas. Er hatte ja dummerweise am 23. 8. Geburtstag, ich wollte ihm am 21. 8. ein Eilpaket schicken, aber dann mußte ich mich selbst in ein Eilpaket verwandeln. Also, sei lieb gegrüßt, Dein Wolf

Noch

1
Ein kleiner Regen hat mich gewaschen
Am Himmel ziehn leere Brauseflaschen
Fabrikschlote wuchern drüben am Hang
Rauchnasen laufen den Windweg lang
Wälder sind das da, das nasse Blau
Das da sind Halden, das große Grau
Rot blühn paar Fahnen da auf dem Bau
Das Land ist still
Der Krieg genießt seinen Frieden
Still. Das Land ist still. Noch.

2
Die Schieferdächer schachteln sich wirr
Geklammert an Essen mit Eisengeschirr
Starrt das Antennengestrüpp nach West
Vom Sonnenball steht noch ein roter Rest
Krähen sind das da, was fällt und schreit
Blüten sind unter die Bäume geschneit
Was da jetzt einbricht, ist Dunkelheit
Das Land ist still
Wie Grabsteine stehen die Häuser
Still. Das Land ist still. Noch

3.
Dann hing ich im D-Zug im Fenster, und
Der Fahrtwind presste mir Wind in' Mund
Die Augen gesteinigt vom Kohlestaub
Ohren von kreischenden Rädern taub
Hörte ich schwingen im Schienenschlag
Lieder vom Frühling im roten Prag
Und die Gitarre im Kasten lag
Das Land ist still
Die Menschen noch immer wie tot
Still. Das Land ist still. Noch.


In Prag ist Pariser Kommune

In Prag ist Pariser Kommune, sie lebt noch!
Die Revolution macht sich wieder frei
Marx selber und Lenin und Rosa und Trotzki
stehen den Kommunisten bei

Der Kommunismus hält wieder im Arme
die Freiheit und macht ihr ein Kind, das lacht,
das leben wird ohne Büroelephanten
von Ausbeutung frei und Despotenmacht

Die Pharisäer, die fetten, sie zittern
und wittern die Wahrheit. Es kommt schon der Tag
Am Grunde der Moldau wandern die Steine
es liegen vier Kaiser begraben in Prag

Wir atmen wieder, Genossen. Wir lachen
die faule Traurigkeit raus aus der Brust
Mensch, wir sind stärker als Ratten und Drachen!
Und hattens vergessen und immer gewußt


Aus Wolfs Prag-Büchlein:

Das aber ist Prag:
eine glückliche Zukunft
Sie liegt hinter uns
Meine liebe Liebe
nach so viel Frühling
finden wir uns liegen
in den Wiesen aus Schnee
unter dem Gestrüpp
der Eiszapfen, gebettet
in Fröste und essen
die Früchte der Unfruchtbarkeit
Die Steine stöhnen
durch die langen Nächte
Die Flüsse gerinnen
zu Fallgruben
darin die Kunnigeskinder
versinken
Der Winter
mitten im Sommer
ist über uns gekommen
kommen aber wir
über den Winter?
Nimm du meine Gitarre
und trage sie mit dir
in Länder die keiner kennt
darin Lieder gebraucht werden
und Gedichte willkommen sind
Kommst du aber zu
lustigen Leuten, dann
singe du ihnen meine
Trauer. Den Traurigen aber
singe anderes, davon ich
dir auch mitgeben werde
Der Zorn stirbt
mit der Hoffnung
Was uns wichtig war
das vergessen wir
Das Vergessen
wird wichtig
Wir haben uns also
durchgekämpft ins Nichts
Und nichts haben wir
durchgekämpft
Der Alltag kollaboriert
mit den Mächtigen
Und das Volk formt sich
wie Erde unterm Stiefel
Wenn Regen kommt
wenn Wind kommt
wird alles anders sein
Aus Wind haben wir
Häuser gebaut
gegen den Wind
Meine liebe Liebe
Wo noch finde ich dich
die ich nie verlor
Wo noch finde ich
deine Nähe, die mir
nahe ist, denn nahe bist du
meinen Lippen:
sie schweigen ja immerzu
deinen Namen
In meiner einen Hand
halte ich die Gelassenheit
in der anderen: Ungeduld
Und nun harre ich
mit leeren Händen
auf dich, die
nicht kommen wird
Ja, als wir noch
weißhäutig durch die Tage
schwammen und Regen
schluckten und Sonne
bis die Nächte uns schluckten
– da blühte uns noch
die Unwissenheit, da
war noch Hoffnung
in den Küssen
In den Wind
halte ich die Hand
die Dachluke hoch
halte ich das Gesicht
Herbstblau und Baumwollweiße:
ein lichter Flicken im
Mantel des Verstecks
Die Wolken sehen mich
aber sie halten dicht
Wenn der Regen kommen wird
Ja, wenn der Regen da ist
bin ich längst woanders
oder ein anderer

STRATEGIE

Eins
muß man den 5 Brüdern
lassen:
Wie
sie in das Land ihres Bruders Ludwig
Freiheit einbrachen, das
war eine Glanzleistung:
Zivilflugzeuge voll
zivilen Soldaten
kaperten die Flugplätze
und sofort fielen die
geflügelten Panzerarmeen
vom Himmel herab
Eine ganze halbe Million
erstklassiger Krieger
Wenn die, oh, wenn
die
das
mit Saigon
gemacht hätten
Was
hätte dann Saigon gemacht
mit den Amerikanern ?
__________________

Teufelskreis für dieses
überfallene Land:
Die geschlagen werden
dürfen nicht
merken lassen
daß sie geschlagen werden
Sonst
werden sie geschlagen
____________________

Die Siegreichen
Kriegsknechte
zeigen ihr Gebiß
Sie schämen sich
Deshalb
zeigen sie die Zähne
Sie fürchten sich
vor ihren Frauen
in der Heimat
Sie zittern vor ihren
Eltern zuhause
deshalb grinsen sie so
in die Linse
____________________

Unsere Führer
helfen der Wahrheit
mit Hilfe von Lügen
zum Siege ?
Unsere Führer
helfen in Wahrheit
den Lügen zum Siege !

Was
richtet schon Wahrheit aus
gegen bewaffnete Lügner ?
Gegen bewaffnete
richtet die Wahrheit aus
daß sie die Wahrheit
richten müssen
_________________

Was
vermögen bissige Worte
gegen Bluthunde ?
Treffende Argumente
was vermögen sie
gegen Maschinengewehre ?
Was
schützt gepanzerte Herzen
gegen Panzer ?
Welche Gewalt
hat das Recht
gegen das Recht
der Gewalt ?
___________________

Ich bin am Rand, da
wo die Suppenesser
tote Fliegen und der
Köchin ihre Haare
hinschieben da findet ihr mich jetzt

Ich bin am Rand, da
wo die See bei Flut
Strandgut ausspuckt, da
findet ihr mich jetzt

Ich bin am Rand, da
wo die Stadt
sich ausleert :
auf den Schutthalden
wo die Kinder
glücklich sind, da
findet ihr mich jetzt
am Rande
genau : im Zentrum
des Randes
____________________

Lied für Eva und mich

1.
Ja, ich singe von Traurigkeiten
Ratlos bin ich
Und habe kein gutes Wort für euch

2.
Sagt, auf wen bloß hattet gebaut ihr
Als ihr euch selber
So gänzlich im Stiche ließet ?

3.
Ich singe euch ein neues Lied, es ist
das Ende vom Lied
Das Lied vom Ende ist es :

Seit die Fünffingrige
Konterrevolution
in Prag Prag im
Würgegriff hält
nehmen sich dort
Kommunisten das Leben
deren Leben kaum erst
begonnen hatte
Genossen, besser ist
wir bringen die Kraft auf
und leben wenigstens
so lange
bis sie uns totschlagen
müssen
___________________

Das bißchen Leben
macht sich wichtig
Komm, meine Liebe
wir wollen lieber leben
_____________________

Abends öffne ich die Fenster
und höre die Stadt:
Nichts ist
es riecht nach Frieden
Aber
wenn Motoren sich nähern
explodiert mein Hammer-Herz
______________________

Mit einem Riesenohr
peile ich die Autos :
2-Takter
4-Takter
Diesel
Spitzel fahren Trabant
Polizei fährt Wolga
Die Kommandos kommen
auf Horch H3A
Wenn die Motoren
laufen und sich
entfernen
fällt langsam wieder
Luft in mich
______________________

Die Gefahr ist groß
aber die Angst ist riesig
Die Angst, mein Lieber
ist die große Gefahr
__________________________

Kaum hatten sich die
Amerikaner
einen Namen gemacht
als Völkermörder, da
packte die Genossen in Moskau
Ehrgeiz. Jetzt
machen sie sich in Prag
und auf lange
einen Namen
______________________

 

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