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KULTURCHRONIK 2000



Eva-Maria Hagen
Schauspielerin und Sängerin



Leidenschaftlich, schön und frech war sie schon als junge Frau, vom Publikum verehrt, von den DDR-Bonzen misstrauisch beäugt, aber gern eingespannt: die Schauspielerin und Sängerin Eva-Maria Hagen. Sie war die beliebteste Actrice der DDR-Filmgesellschaft DEFA und spielte auch im Fernsehen des anderen deutschen Staates.

Eva-Maria Hagen war ihre Schauspielerkarriere nicht an der Wiege gesungen worden; die stand ganz weit im Osten Deutschlands. Sie war ein kleines Mädchen in Hinterpommern und blickt trotz aller Kriegs- und Nachkriegswirren auch heute noch gern auf diese Kindheit zurück. Noch immer hat sie ein romantisches Verhältnis zur Natur und pflegt hingebungsvoll ihr ländliches kleines Anwesen in der Uckermark, wo sie im Sommer lebt und Bilder malt oder neue Lieder einübt. Sonst wohnt sie heute in Hamburg-Uhlenhorst nahe der Alster.


Aus der "kalten Heimat" jenseits der Oder vertrieben, geriet Eva-Maria mit ihrer Mutter und einem Bruder in die DDR. Sie kam früh zur Schauspielerei und wurde gleich mit ihrem ersten DEFA-Film als rebellischer Teenager bekannt und populär.

Ihr Leben änderte sich grundlegend, als sie sich nach einer gescheiterten Ehe (aus der ihre Tochter Nina stammt) 1965 in den zehn Jahre zuvor aus dem Westen gekommenen, aber damals schon bei der DDR-Führung in Ungnade gefallenen Dichter und Sänger Wolf Biermann verliebte. Beide waren junge Sozialisten und überzeugte Antifaschisten, beide wollten eine bessere als die bisher erlebte Gesellschaft mit Krieg und Not, Antisemitismus und bedrohter Freiheit und beide kämpften mit künstlerischen Mitteln, mit Wort und Musik, gegen die Verkrustung und Bürokratisierung des realen Sozialismus in der DDR. Ein vollkommen aussichtsloses Unterfangen in den sechziger und siebziger Jahren; der Kalte Krieg hielt beide deutschen Staaten in ihren Bündnissystemen gefangen, und Einzelne wie Wolf Biermann und sie konnten kaum etwas ausrichten gegen die kommunistischen Parteibonzen im Osten. Ein beredtes Zeugnis für diese politisch militante und zugleich anrührend schöne Liebe hat Eva-Maria Hagen, unter dem Titel "Eva und der Wolf" als Buch veröffentlicht.

Als die DDR Biermann 1976 während eines Auftritts in der Bundesrepublik ausbürgert, ist

Eva-Maria Hagen wie vom Schlag getroffen. Sie fügt sich dem Ansinnen der SED und stellt einen Ausreiseantrag, der sofort genehmigt wird, ebenso wie der ihrer Tochter Nina - die im Westen mit burschikosem Talent und großartiger Stimme als Rocksängerin schnell berühmt wird. Ihre Mutter hat es schwerer, sich in das andere Deutschland einzufügen.

Nach dem Fall der Mauer in Berlin und der Wiedervereinigung tritt Eva-Maria Hagen wieder in ganz Deutschland auf, gelegentlich auch neben Tochter Nina und deren Tochter Cosma, die ihrerseits inzwischen erste Erfolge als Schauspielerin hat - eine schöne, ganz und gar liebenswerte, ein wenig verrückte, hochbegabte und produktive Frauendynastie.

Keine Frage: Wer jenseits von Schlagern und hilfloser deutschsprachiger Popmusik nach Liebesliedern, politischen Chansons und musikalischer Poesie in Deutschland sucht, stößt unweigerlich auf Eva-Maria Hagen, die ihre Schauspielerei nicht zugunsten eines regen Wanderlebens als Liedersängerin vernachlässigt hat. Zum weit gefächerten Programm gehören neben den immer wieder gesungenen Balladen ihrer früheren großen Liebe Wolf Biermann auch Songs von Bert Brecht und Chansons französischer Dichter, deftige russische Gesänge und zarte Zigeunerromanzen, baltische Volkslieder und jüdische Weisen. Entsprechend breit ist das Angebot ihrer Compact Discs, die allerdings nur im Versandhandel "2001" und im Internet (www.eva-maria-hagen.de) zu haben sind.

Jüngst klagte eine früher in der DDR bekannte Sängerin ihrer Kollegin Eva-Maria Hagen ihr Leid: nach der politischen Wende in Deutschland wisse sie gar nicht, welche ihrer alten Lieder sie noch singen sollte; die Hagen bot ihr zum Scherz eine Handvoll Songs an: Ich bin gesegnet mit einem so großen Liederschatz, dass ich gern ein paar abgeben kann.

Peter Laudan
 


KULTURCHRONIK 6/2000



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