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RHEINLANDPFALZ – 15. 03. 2010

Mitreißende Lebensfreude

A u t o n o m und a u t h e n t i s c h
Eva-Maria Hagen mit "lch kann auch alleine" - im Alten Stadtsaal in Speyer

VON CLAUOIA HECK

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Bilbao-Song, Seeräuber-Jenny und Surabaya-Johnny: Mit Liedern von Bertolt Brecht und Wolf Biermann, Balladen sowie Romanzen hat die Sängerin und Schauspielerin Eva-Maria Hagen am Freitagabend im Alten Stadtsaal nicht nur dem Kinder- und Jugendtheater zum 20-jährigen Bestehen gratuliert; sie feiert beim Speyerer ‚Kulturbeutel’-Festival auch den Geburtstag ihrer Tochter Nina, die - am 11. März - 55 Jahre alt geworden ist.

"Ich kann auch alleine" heißt Eva-Maria Hagens Programm - was, erläutert die Schauspielerin und Sängerin auf der Bühne: "in ein Lokal reingehn, an der Theke stehn, ne Zigarette drehn". Nur beim Singen lässt sie sich von Siegfried GerIich am Klavier begleiten, wenn sie nicht sogar selbst zur Gitarre greift und - nachdem sie sich die Brille auf die Nase gesetzt und selbige in das Notenheft gesteckt hat - die Rosa Fröhlich aus Heinrich Manns "Professor Unrat" beziehungsweise "Der blaue Engel" gibt: "Man nennt mich Klein-Rosa, bin jung noch an Jahren." Ob alleine - sprich: autonom oder jung und (nicht ganz so) unschuldig: Eva-Maria Hagen ist authentisch und bleibt immer sie selbst.

Auch Bertolt Brechts Lieder singt sie so, wie ihr der Schnabel gewachsen ist; frisch und lebendig spuckt sie dem Surabaya-Johnny gewissermaßen vor die Füße: "Ich hasse dich so, Johnny, wie du dastehst und grinst, Johnny. Nimm doch die Pfeife aus dem Maul, du Hund!" – um gleich in der nächsten Strophe zu fragen: "Surabaya-Johnny, warum bist du so roh? Surabaya-Johnny, mein Gott und ich liebe dich so ..." Andere singen das Lied anders: distanzierter, kälter, manierierter - was gern anerkennend als "Verfremdung" bezeichnet wird. Doch große Gefühle und tiefe Gedanken schließen sich, wenn es nach Eva-Maria Hagen geht, nicht aus - zumal man nur Gefühle in Frage stellen könne, die man vorher gezeigt und im Publikum erzeugt habe.

Apropos große Gefühle - ganz ohne Distanz geht es dann doch nicht: Eva-Maria Hagen erklärt, warum die Liebe blind macht und vom Wahnsinn begleitet wird. Sie kontert den „letzten Wunsch eines alten Zirkuspferds" mit den Worten: „Halt die Luft an! Leben geht doch weiter..." Und als Zugabe hält sie sich im autobiografischen Stück "Sieben Leben hat die Katze" selbst entgegen: „Lebensangst hat gar keinen Sinn, weil ich ja schon sieben Male einen Tod gestorben bin..."

„Sieben Leben hat die Katze / Aber ich, ich habe acht.
Zeigt der Tod mir seine Fratze / Wird er an die Wand glacht.
Ja, ich lach’ im Jammertale / Lebensangst hat gar kein’ Sinn –
Weil ich ja schon sieben Male – einen Tod gestorben bin."

 

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