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Portrait im Buch "Vor der Kamera "
von Herwig Kipping

EVA-MARIA HAGEN

Sie liebt es, das Mädel zu spielen, unbefangen und naiv, ein nach Liebe und Verführung neu»gieriges« Mädchen, das unschuldig tut und unschuldig ist gegenüber den Lustmolchen und Gewaltverbrechern dieser Welt. Ein verführtes, verführerisches Mädchen, eine Verfolgte, die auf die schiefe Bahn geriet.

Ja. sie verführt gern. Sie verführt gern mit ihrem Körper. Sie liebt ihren Körper, ihre Brüste, ihre Schenkel. Sie führt gern. Sie kokettiert damit, sie liebt es zu kokettieren. Am liebsten ist sie kokett. Am liebsten ist sie jung und verführerisch kokett. Da fühlt sie sich sicher, dieses innerlich unsichere Mädchen, dieses sehr natürliche Mädchen, mit Kaprizen.

Am liebsten verführt sie Männer. Sie sagt Dir direkt, was sie von Dir will, wenn Du sie interessierst. Sie will Dich, ganz und gar, mit Haut und Haaren. Sie mag kein Drumherumgerede. Sie ist mütterlich, ohne eine Mutter zu sein. Sie ist mütterlich zu Männern. Sie mag männliche Männer. Sie liebt es eine Frau zu sein, eine Frau zu spielen, die Männer auf eine mütterliche, das hei§t bestimmte bestimmende Art zu lieben. Sie bemuttert sie gern. Sie umsorgt sie, sie kümmert sich um alles, bringt ihr äußeres Leben in Ordnung, verschafft ihnen eine Wohnung, verlegt das erste Buch mit Gedichten. Sie kümmert sich. Sie gibt alles. Sie lebt für die Liebe zu diesen Männern. Aber innerlich ist sie weit fort auf ihrem Stern und bleibt einsam.

Eva-Maria ist nicht sinnlich, sondern keusch. Tief innen sehnt sie sich nach der tiefen, wahren Liebe, die sie erlöst. Eva-Maria ist ein Dornröschen - mit Dornen. Ja, sie liebt die Liebe. Aber sie liebt auch die Distanz der Träume. Sie kann sich zwischen Leben und Traum nicht entscheiden. Sie hat Angst vor wirklicher Nähe. Sie spielt immer eine Rolle: die schlafende, träumende Prinzessin, die auf den Prinzen wartet, der sie wachküßt. Sie liebt es, wehmütige Lieder zu singen, vom Wind, von der Traurigkeit. Sie wäre lieber geil als melancholisch und wehmütig. Und ist noch wehmütig und melancholisch, wenn sie geil ist.

Am meisten liebt sie die Wehmut, vor dem Tode, vor der Lust, vor der letzten Versuchung. Sie weiß nicht, warum ihr Leben im Winde zerrann, warum man sie nicht wirklich liebt, warum sie so gefährdet, so zerbrechlich ist - sie will es nicht wissen. Eva-Maria ist ein großes Mädel, das zum ersten Mal Karussell fährt.

Sie ist spröde, lacht gern, aber sie ist nicht wirklich frei. Sie ist besetzt von Wünschen, denen sie nicht entsagen kann. Sie kann nicht zur Gänze loslassen, obwohl sie sich danach sehnt.

0 ja, diese Scheu sich hinzugeben, sich zu verlieren. Ganz innen flieht sie sich, statt bei sich selbst zu sein. Sie hat Angst vor dem Schmerz, sie fürchtet das Leid und sucht es zugleich.

Die Flucht ins Äußere, Äußerliche, Spröde. Sie ist ein Star und scheint, mit der Traurigkeit eines Sternes im Herzen, so weit fort zu sein von der Erde, der grimmig schönen Welt von Menschen. Nicht wirklich angekommen, angenommen vom Liebsten. Er hat sie verlassen. - Warum? Sie sucht immer wieder Männer, die ihr dieses Gefühl vermitteln, eine Gewohnheitstäterin ungelebter lebendiger Liebe. Da bleibt die Distanz der Sehnsucht als selbstgewähltes Fach und der Traum: der Verführung immer wieder zu verfallen. "Mein Gott, sagt denn keiner dem Mädel, wie es aussieht? Du bist doch die Marilyn Monroe des Ostens." - "Manchmal denke ich, ich muß geträumt haben, von zwei Männern, dem jungen ungestümen und dem väterlichen." Ja, der Vater. Der Vater mit weißen Haaren, der aussieht wie der liebe Gott. Der keine Zähne hat, weil sie ihm im Verhör ausgeschlagen wurden. Es war eine große Liebe. "Eva-Maria, die Vormundschaft des Staates ist ab heute erloschen. - Ah, diese verdammte Göre ist volljährig, geworden, und sie will es nicht wahrhaben, kümmert sich nicht darum. Was wird bloß aus dem Mädel? - Was ordentliches?!" Am liebsten lacht sie und ist unbefangen, wie damals, als sie ein Mädel war. Am liebsten ist sie ein Mädel.

Ach, der Liebste. Der Liebste, der sie in seine Arme nimmt, der sie ganz fest hält und sie ganz fest an sein Herz drückt, bis sie ganz in ihm geborgen ist, bis sie sich ganz und gar fallenlassen, ergeben kann. - "Vergeßt mir meine Traudel nicht." - Ja, wie heiße ich eigentlich: Traudel, Traudelchen? Nein, ich bin die Eva und die Maria, und am Ende bin ich doch alles in einem, alles in allem vor allem: die - Hagen.
 








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