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"Du Kämpfer an der unsichtbaren Front" Hymne der Staatssicherheit der DDR
Erste schwere Fahrt für dich ins fremde Land
Einen kühlen Kopf brauchst du und eine ruhige Hand
An die Tücken dieses Weges denke nicht
Bester Schutz dagegen ist ein Allerweltsgesicht
Du Kämpfer an der unsichtbaren Front
Den Menschen bist du unbekannt
Jedoch es dankt dir für all dein Tun, für deinen Mut
Für dein stilles Heldentum - Dein Vaterland.
Das, was dir etwas bedeutet, bleibt zurück
Frau und Kinder, Eltern, Freunde und dein Alltagsglück
Liebe ist es dann, die deinen Weg verschönt
Weil am Leben dieser Menschen dir so viel liegt ...
In der Fremde wächst du über dich hinaus
Pflichterfülltes Leben - dafür dankt dir dein Zuhaus
Triffst du glücklich in der Heimat wieder ein
Wird der Frieden auf der Erden sicher sein
Du Kämpfer an der unsichtbaren Front
Den Menschen bist du unbekannt
Jedoch es dankt dir für all dein Tun, für deinen Mut
Für dein stilles Heldentum
Dein Vaterland
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Ausschnitte von Aufzeichnungsberichten aus Tag- und Nachtschichten der Kämpfer an der unsichtbaren Front : von Lauschohren, Eckensteher, Spitzel, Fallensteller, Zersetzer, Mitläufer, Verleumder, Denunzianten, Erpresser, Berichterstatter und Überzeugungstäter, Hausbuchverwalter, Rekruten der Fußtruppe des Menschenjägers Erich Mielke, dem Minister für Staatssicherheit der ehemaligen DDR so wie von den ihm unterstellten Offizieren ein Kaleidoskop ihrer hinterhältigen und menschenverachtenden Machenschaften, in denen Eva-Maria Hagen vorkommt.
Aktenvermerk
Am 20. 4. 1966 wurde durch Unterzeichneten eine Absprache mit dem Genossen Hauptmann Brosche von der HA XX geführt. Diese Absprache machte sich erforderlich, weil sich Biermann zur Zeit bei der Hagen aufhält. Da die Hagen von der HA XX unter Kontrolle gehalten wird, ist eine Koordinierung der operativen Arbeit (...) von nöten. Über das gegenwärtige Verhalten des B. konnte der Gen. Brosche folgendes mitteilen: Biermann hielt sich bis zum 16. 4. bei dem Schriftsteller Peter Huchel in Potsdam auf. Durch die Hagen ist B. des öfteren von dort abgeholt worden, weil die H. angeblich nicht ohne B. sein konnte. (...)
Zum Verhältnis Hagen-Biermann: B. versucht die H. so zu beeinflussen, daß sie sich konspirativ verhalten soll. Beide leiden darunter, daß sie sich ständig beobachtet fühlen. Die H. ist völlig mit den Nerven herunter, was sich schon auf ihrer Arbeitsstelle bemerkbar macht. Dort schreit sie und benimmt sich oft hysterisch. Die H. soll in ihrer Wohnung einen Dolch versteckt haben, um sich eventuell wehren zu können, wenn sie abgeholt werden sollte. (...) Bei der Hagen wird vermutet, daß diese süchtig ist.
(Maßnahme-Pläne) (...)
4. In der Wohnung der Eva-Maria H a g e n ist eine konspirative Hausdurchsuchung durchzuführen, um vom Inhalt der von Biermann neu produzierten Lieder und Gedichte und anderer gegen die DDR gerichtete Schriftstücke informiert zu werden.
5. In Verbindung mit der Verwaltung Groß-Berlin, Abt. XX ist bei den zuständigen VP-Revieren zu prüfen, inwieweit Biermann der polizeilichen Meldepflicht Folge leistete und ordnungsgemäß bei Eva-Maria Hagen als Untermieter gemeldet ist. Bei Nichtanmeldung sind Maßnahmen einzuleiten, um Biermann mit gesetzl. höchstzulässigen Ordnungsstrafe zu belangen.
6. Mit der Partei sind Maßnahmen abzusprechen, um die Schauspielerin Eva-Maria Hagen, die bisher Biermann finanziell unterstützte, zu veranlassen, sich von ihm zu trennen. Unsere Vorschläge gehen dahin - entsprechende Maßnahmen der Einschränkung der Auftrittsmöglichkeiten mit den zuständigen Leitern bei der DEFA, im DFF, StRK sowie der Deutschen Künstleragentur einzuleiten; alle Auftritte der Hagen überprüfen, feststellen, ob sie in versteckter oder offener Form Lieder von Biermann oder Gedichte und Balladen vorträgt; (...) zu verhindern, daß die H a g e n gemeinsam mit B i e r m a n n auftritt.
Termin: 30. 9. 1966 laufend
Arbeit mit IM
1. Die IM "Lamprecht und "Davis, die einen guten Kontakt zu Biermann unterhalten, sind zielstrebig zum Einsatz zu bringen, damit uns ständig die Absichten des B. bekannt werden. Durch konkrete Auftragserteilung und mittels gut durchdachter Varianten muß sich das Vertrauensverhältnis zu B. vertiefen. Ziel muß es sein - Verbindung zu den in Westdeutschland wohnhaften Personen herzustellen, den Charakter der Besuche in Erfahrung zu bringen; rechtzeitig informiert zu werden über das Produzieren von neuen Liedern, wie soll die Weiterverbreitung stattfinden, welche Rolle spielt dabei die H a g e n (...)
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Aus einem IM-Bericht Febr. 1966 auf Usedom, Ückeritz: *)
(....) Beide unterhielten sich dann über die Schönheiten des Lebens. Biermann findet auch sein Leben schön, worum er hier kämpft. Die Dame findet es vollkommen langweilig. Sie meint, daß dieses Leben nicht mit Kampf, Krieg und Zerstörung geführt werden darf. Man kämpft, um in Ruhe zu leben. Das Leben der Dame ist ausgezeichnet, wie Sie selber sagte. Sie versuchte ihre Vorstellungen über das Leben in Worte zu fassen, damit Biermann sie verstehen würde. Er sagte ihr jedoch, daß er alle Worte versteht. Die Dame denkt auch an schöne Dinge. Daran verzweifelt sie nicht - durch Jesus Christus, zum Beispiel. In bezug auf die Welt sind die Christen eigentlich Idealisten. "Scheiß Welt und das Himmelreich ist offen", sagte Biermann. Die Dame kann sich dieser Betrachtung nur anschließen, obwohl sie nicht sehr schön ist. Distruktive Adern, wie der Faschismus liegen immer wieder im Menschen. Das liegt auch mit an der Situation. Wenn es Menschen gut geht, werden sie träge, es muß ihnen also schlecht gehen, damit Sie nicht aufgeben. Es ist ganz komisch, aber es ist so. Jedenfalls jetzt noch. Sie sind, wie man so schön sagt, ethisch nicht reif, um den Reichtum zu ertragen. Die Dame war jetzt erst in einer Nachtbar, wo sich die ganzen reichen Bonzen aufhielten. Wie die sich benommen haben, daß könnte Biermann sich gar nicht vorstellen. Es waren Parteibonzen in weißen Anzügen und weichen Lederhüten. Zum Schluß hatte keiner mehr einen Anzug an und warum nicht? Weil sie umhergeilten. Es war viehisch, richtige Viecher. Das es Parteibonzen waren erkannte man daran, weil sie ein Parteiabzeichen am Anzug trugen. Den Anzug haben sie ausgezogen. Die Frauen, die dort waren, flogen auf das Geld. Das ist ganz klar. Die Kerle waren vies. Die Dame war sehr enttäuscht. Die Dame ist nicht geflogen. Ihre Gefühle waren vor Entrüstung gebrochen. So ungefähr. Sie war eigentlich nicht überrascht oder so. Es war ihr nur eine Bestätigung. Es war in einer der vornehmsten Nachtbars in Halle. Sie liefen dort in Unterhosen umher und vollführten Bauchtänze. Kein hübscher Anblick. Aber es gibt Bonzen, die wegen solcher Sachen Traktorist werden müssen.
Die Dame sprach dann über weitere Erlebnisse, die sie während eines Ernteeinsatzes erlebte. Dort hatten sie mit Personen aus einer Anstalt zusammengearbeitet, die wegen Sexualverbrechen verurteilt waren. Die Dame sprach in diesem Zusammenhang von einer Frau mit dickem Popo. (....) Die Dame schilderte die Verhältnisse dieser Dame mit LPG-Vorsitzenden usw.
"Die Studie der Wirklichkeit ist furchtbar und barbarisch, sagte Biermann und las der Dame folgende Episode vor, die ihm Eva geschrieben hat:
Am Abend später waren überall die Weichen vereist und die Züge fuhren nicht. Ich kam in eine andere Welt: Ein Wartesaal ist schon eine finstere Angelegenheit. Aber erst der Wartesaal in Bitterfeld. Mein Gott! Dreckig, finster und schwül. Menschen saßen herum und an den Tischen war kein Stuhl mehr frei. An einem Tisch ein junger Mann, mit einem Mädchen, etwas heruntergekommen. Ein Abschied. Sie klammerte sich an ihn mit Worten: Was habe ich gemacht, warum auf einmal und nie wieder kommst du, kein einziges Mal mehr. Er sagt, hau ab, du kotzt mich an, mach kein Theater hier. Er war schön, hübsche lange Haare und etwas brutal aussehend. Sie erwartete ein Kind und er sagte, daß andere wohl noch mitgemischt hätten. Sie flehte wie eine Katze am warmen Ofen. Strubig die Haare, aber schön, ganz jung. Er ließ sie allein. Sie weinte nicht. Mir tat das Herz weh. Zwei Soldaten waren da, die kamen gerade vom Lazarett. Sie waren beim Manöver verwundet worden. Die Patronen waren mit scharfen vermischt. 1OO Platzpatronen und eine scharfe. Ein Kerl wie eine Eiche, jung und bitter, ein Bein durchschossen. Die Nase war aufgeplatzt durch die Anstrengungen beim laufen von Bahnhof zu Bahnhof. Sie blutete. Er trank Schnaps, aber er war noch schwach, vom wochenlangen liegen, und vertrug nicht soviel. Eine Flut von Zorn und Enttäuschung ergoß sich über uns. Sie fühlten, daß wir Menschen waren, uns vertrauen konnten. Ach was gibt es für Elend und Trauriges. Sogar im Frieden.
Biermann las noch einige Zeilen weiter und kam darauf zu sprechen, daß die Eva-Marie Hagen in einem Bitterfelder Wartesaal war. In so einen Bitterfelder Wartesaal kommt sie wie eine Abgesandte des Himmels. Sie kommt ja von ganz unten. Sie war auch in einem schwer erziehbaren Hause. Sie ist eine Königin aus der Gosse. Sie ist grundehrlich. Die Dame fragte in diesem Zusammenhang, ob sie nicht grundsätzlich in schlechten Filmen mitspielte. Hat sie es aus Dummheit mitgemacht, oder gewußt, dann war sie unehrlich. Das verneinte Biermann. Sie war doof, sagte er. Was ist denn mit ihr passiert. Sie hat einen guten Verstand, aber wenig ausgeglichen. Sie ist als ganz junge Schauspielerin gleich von dem Oliva weggeschnappt worden. Der den Film über Petershagen gemacht hat, Gewissen in Aufruhr. Sie neigt sogar dazu, daß sie sich öffentlich rückhaltlos für Biermann erklärt. Das bedeutet für sie, daß sie im Arsch ist. Aber sie liebt Biermann. Es ist schon wieder eine politische Haltung, daß man liebt. Auch in der bürgerlichen Gesellschaft. Wer wird denn geliebt. Der bezahlt. Das ist die Wahrheit. In der Gesellschaft des Kapitalismus ist es auch ein Sieg, zu lieben den man liebt und nicht den, der bezahlt. Der ganze Freundeskreis, den sie früher hatte, ist von ihr weg. Sie lebt jetzt in völliger Klausur. Biermann hat sie nicht einmal. Er ist hier oben. Die Dame glaubt nicht, daß sie was mit dem Freundeskreis von Biermann anfangen könnte. Doch, sagt Biermann, H a v e m a n n . Sie unterhält sich auch mit Havemann. Sie ist eine sehr gute Frau. Die Dame sollte nicht denken, daß Biermann wie ein Primaner in ihren Bauch verliebt ist. Biermann hat für sie auch Bedürfnisse, die etwas weiter gehen. Biermann braucht sie gar nicht hinzukriegen. Er findet es schon eitel, wenn man so etwas sagt. Natürlich beeinflußt Biermann sie. Aber das findet er vermessen, sich in eine Position zu geben, wo er sich einbildet, daß er aus ihr erst einen Menschen machen müßte.
Sie betrachten Fotos von Eva-Maria Hagen. Die hatte Biermann ihr alle geklaut.
Gegen 13.50 Uhr wurde Biermann zum Mittagessen abgeholt. Alle verließen die Wohnung. gez.: " B e a t e
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(Ausschnitt aus Originalbrief von Eva-Maria Hagen...): " Wolf, eine Nacht hab ich erlebt! Am Tag, als ich in Wolfen war und schlimmes Wetter, vorgestern. Wir fuhren mit der Bahn. Ich dachte an Dich, als ich durch die weiße Landschaft glitt, hatte Deinen Brief mit. Später waren alle Weichen vereist, Züge fuhren nicht; ich kam in eine andre Welt. Ein Wartesaal ist sowieso schon eine finstere Angelegenheit (weiß ich von meinen Lehr- und Wanderjahren) nun aber erst der Wartesaal in Bitterfeld. Gott, was fürn Schuppen: dreckig, schwül. Menschenpulks saßen rum, kein Stuhl mehr frei um Mitternacht. An unserm Tisch ein junger Mann mit Mädchen, bißchen runtergekommen, ein Abschied. Sie klammert sich an ihn mit Worten, flehend, leise: Was hab ich gemacht, warum auf einmal und nie wieder kommst du, kein einziges Mal. Er sagte: hau ab, du kotzt mich an, mach kein Theater hier. Er war schön, schwarze lange Haare, etwas brutal aussehend. Sie erwartete ein Kind. Er meinte, daß noch andre mitgemischt hätten. Sie bettelte wie eine ausgesetzte Katze um einen Platz am warmen Ofen, struppige Haare, rauhe Haut, eigenwillig schön, ganz jung. Er ging, ließ sie sitzen. Sie weinte nicht. Mir tat das Herz weh.
Und zwei Soldaten vom Lazarett kommend, verwundet beim Manöver. Die Platzpatronen waren echte Munition. Ein Kerl wie eine Eiche, jung, bitter, das Bein durchschossen. Die Narbe, aufgeplatzt von der Anstrengung beim Hasten von Bahnsteig zu Bahnsteig, blutete. Er trank Schnaps, war schwach vom langen Liegen, den Medikamenten. Eine Flut aus Zorn und Enttäuschung ergoß sich über uns: sie spürten, uns kann man vertrauen. Was gibt’s doch für Elend, sogar im Frieden, wenn Krieg nur geübt wird sicherheitshalber.
Ich ragte da raus aus den Sumpfblüten in meiner Aufmachung. Man starrte ungläubig, mich langsam erkennend. Ich schnitt Grimassen: Verzaubertes Lächeln von der Gegenseite. Und bald war ich keine Außenstehende mehr. Sie machten Witze, ein Wettstreit begann: Wer traut sich die schärfsten Schoten abzuschießen ... Sie saßen im Kreis um uns, luden mich ein auf was Süßes; Alkoholisches lehnte ich ab das wär was geworden! Ein Nachtasyl frei nach Gorki. Der Ober brachte Kaffee, Fondant, für meine Blumen einen Sektkübel. Ein Artist machte Zaubertricks. Ich sang gewagte Sachen, politisch und was Thema Nr. 1 betrifft, schrieb Autogramme auf Urlaubsscheine, Persilkartons, Bierdeckel, Hemdkragen, ein Gipsarm schob sich ins Bild. Man philosophierte, schimpfte mit Galgenhumor über die kleinen und großen Dinge des Lebens, den Zufall oder ist es Schicksal, daß wir uns begegnet sind. Nach vier Stunden kam ein Zug. Ich war nicht deprimiert, dachte an unsere Liebe, welch Glück wir haben, erinnerte mich an unsere letzte Verkringelung, war und bin Deine Eva. "
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Berlin, 14. Februar 1966
26/BA 19/66/ 27 Po
Streng vertraulich !
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 13. Februar 1966
Herr B i e r m a n n sagte Frau H., daß er am gleichen Tag einen langen Brief für sie geschrieben hat. Einen Brief von ihr bekam er vor einigen Tagen. Beide haben sehr auf Post voneinander gewartet. Herr Biermann war glücklich und froh, als der Brief von Frau H. bei ihm eintraf. Frau H. war lange Zeit unglücklich, da sie fast eine Woche nichts von Biermann hörte.
Herr Biermann arbeitet viel. Frau H. hat jeden Tag Probe, oft von früh bis spät. Die Proben belasten sie sehr, da das Stück ungeeignet ist. Es wurde versucht, die Handlung in die DDR zu übertragen. Daher gibt es jetzt viel Ecken und Klippen. Nach dem 11. Plenum ist es, wie Frau H. weiter sagte, eigentlich völlig unmöglich, moralisch. Alles ist abgeschwächt und verharmlost, es ist nur noch eine laue Brühe. Die schönen Momente, die Komplikationen, die Tiefen des Stückes sind völlig verwaschen. Alles ist zu einem großen Käse geworden. Frau H. muß versuchen, darüber hinwegzukommen, d.h. zumindest die Sendung schaffen, so gut sie kann. Herr Biermann bestärkte sie in dieser Meinung und bat sie, sich große Mühe zu geben. Frau H. hat wegen des Stückes am 13· Februar während der Probe geweint. Der Regisseur hat sie gebeten, sich deswegen nicht aufzuregen. Für Frau H. ist die Darstellung der Frauenrolle besonders schwierig, weil zwei Komiker auftreten, sie aber ihre Rolle nicht als Clown spielen kann.
Nachdem Biermann sie nochmals bat, sich große Mühe zu geben, erklärte Frau H., daß sie nicht so vielseitig ist, um alle Rollen gut zu spielen. Einiges könnte sie sehr gut spielen, aber manche Sachen sind einfach nicht spielbar. Auch ein guter Schauspieler gehe an einer schlechten Rolle baden. Wenn eine andere Situation wäre, würde sie einfach zum Intendanten gehen und sagen, sie kann das nicht spielen, sie sollen ihr etwas anderes geben. Sie kann sich das aber jetzt nicht leisten, sondern muß die Zähne zusammenbeißen und 'durchschwimmen'. Biermann sagte dazu, sie soll das richtig machen, denn er müsse auch schwer mit seiner Arbeit ringen. Das "kotzt" ihn auch schon manchmal an, dieses Vierzeiler-Gebimmel.
Bis zum 22. Februar hat Frau H. jeden Tag Probe, sie ist immer gegen 20.00 Uhr zu Hause. Anschließend fährt sie für einige Tage weg. Sie singt in einem Programm bei der NVA! Wenn das beendet ist, weiß sie noch nicht, was sie macht. Sie ist nicht so wild, gleich wieder etwas zu machen. Gesundheitlich geht es ihr ganz gut. Sie war jetzt in der Poliklinik und hat sich wegen der Sache untersuchen lassen. Bei dieser Gelegenheit hat sie auch ihre Lunge fotografieren lassen: sie hat die beste Lunge. Biermann gab zu verstehen, daß er nun beruhigt ist. Abschließend sagte Frau H., daß alles in Ordnung ist.
Sie teilte mit, daß R o b e r t sie neulich mal angerufen hat. Er wollte sie gern einmal sehen. Sie war aber noch nicht da. Nachdem Biermann sagte, er würde jetzt nicht hingehen, meinte Frau H., sie würde vielleicht in einer Woche vorbei sehen. Biermann könne ganz beruhigt sein, sie würde nicht . Biermann sagte dazu, das müsse Frau H. wissen, und sie antwortete ihm, das wisse sie sicher. Das sei ganz klar.
Sie sprachen noch einmal über das Briefeschreiben. Frau H. schilderte, daß sie einen Brief an ihn geschrieben, aber wieder zerrissen hat, da er zu überschwenglich war und Biermann einen falschen Eindruck bekommen hätte. Frau H. betonte, daß im Hinblick auf ihre Liebe zu Biermann alles klar ist. Sie hat aber den Eindruck, daß bei ihm noch nicht alles klar ist. Das wisse sie. Das macht aber nichts, da das alles nicht so unkompliziert ist, und sie erwartet das auch gar nicht. Als sie seinen Brief bekam, war sie sehr glücklich. Am gleichen Tag ist sie nach Wolfen gefahren.
Frau H. ist sehr einsam. Sie kommt sich vor wie eine alte Nonne, wie eine Jungfer, die übriggeblieben ist. Dafür ist sie so gar nicht geschaffen. Manchmal hat sie den Eindruck, daß es hundert Jahre her ist, da sie Biermann sah. Besonders betonte Frau H., daß sie noch nicht so alt ist während Biermann ihrer Ansicht nach kühler ist. Herr Biermann verneinte. Sie blieb bei ihrer Auffassung. Sie ist es nicht gewohnt, allein zu sein.
Frau H. würde sonstwohin fahren, nur um Biermann zu sehen. Dort, wo er sich aufhält, kann sie nicht hinkommen. Das ist unmöglich. Sie wollte wissen, wann Biermann "den N a m o " (o.ä.) zurückbringt. Die Frage, ob das in etwa einer Woche passiert, bestätigte Biermann genau wie auch die Feststellung von Frau H., daß sie sich dann in acht Tagen sehen. Weiter sagte Frau H., sie will sehen, daß sie in einer Woche so ist noch ist, wie sie jetzt ist. Auf Biermanns Frage, was damit gemeint ist, erklärte Frau H., daß es noch andere gibt, daß sie viele kennt, die auch merken, daß sie unglücklich und traurig ist auch d e r merkt es. Sie könne das zwar jetzt nicht weiter erklären, jedenfalls ist es sehr schwer für sie, allein zu sein. Als Biermann sagte, für ihn sei genau so schwer, meinte Frau H., er hätte ja einen Grund.
Darauf entgegnete Biermann, sie hätte doch den gleichen Grund. Frau H. verneinte: "lch habe nicht den selben wie du, ich liebe dich, das ist mein Grund". Sie sagte weiter "Der Unterschied ist: du liebst dich ach komm. Du bist immer so hart. Ich weiß ja, daß du nicht anders sprechen kannst mein Gott, wie gern würde ich dich bei mir haben, ich weiß gar nicht mehr, wie du dich anfühlst". Sie betonte, daß sie sehr stark gewesen ist und allen Versuchungen widerstanden hat, indem sie an ihn gedacht hat.
Frau H. meinte, es wäre für sie überhaupt nicht kompliziert: es gibt noch mehr nette Männer. Aber es geht nicht, daß sie sich fallen läßt. Deshalb ist sie sehr allein.
Sie machte den Vorschlag, daß Biermann jede Woche einmal zu ihr kommen könnte. Er könnte mit den Bahn fahren. Das würde ihn von seiner Arbeit nicht sehr ablenken, sie würden sich sehr viel geben. So quälen sie sich nur. Geld würde keine Rolle spielen für die Reisen, da Frau H. ja genug hat. Herr Biermann gab zu, daß das alles möglich ist, so u.a. auch der Vorschlag von Frau H., sich einen Plan zu machen und das Wochenende bei ihr zu verbringen. Er äußerte sich jedoch nicht konkret dazu.
Die Frage von Frau H., ob er irgendetwas Neues gehört oder ob er neue Schwierigkeiten hat, beantwortete Biermann mit einem knappen 'Nein'. Frau H. sagte ihm daraufhin: "Ich habe dich sehr, sehr lieb" - und Biermann gab zur Antwort: "Das mußt du auch".
Frau H. meinte, sie würde sofort losfahren, nur um ihn zu treffen. In Greifswald könnten sie sich treffen. Dort würde sie schon ein Zimmer bekommen, aber Biermann wäre doch so vernünftig, viel vernünftiger als sie. Wenn sie jemand treffen würde, der nur halb so unvernünftig ist als sie, hätte Biermann sie schon verloren. Daraufhin bemerkte Biermann, sie möge die Folterinstrumente weglassen. Sie soll den Brief, den er ihr geschrieben hat, richtig lesen. Frau H. hat diesen Brief so oft gelesen, daß sie ihn schon auswendig kann. Die Briefe von Biermann kommen bei ihr nach zwei oder drei Tagen an.
Herr Biermann hofft wie auch Frau H., daß sie sich künftig in jeder Woche einmal sehen können. Sie will ihm entgegenfahren, da sie glaubt, daß man irgendwo schon etwas finden kann. Der jetzige Zustand ist für sie furchtbar. Sie ist keine alte Frau, und schon dadurch kommt man durcheinander. Trotzdem Biermann zu verstehen gab, daß er diese Andeutungen begriffen hat, sagte Frau H., er verstehe das nicht, weil er in vielem anders veranlagt ist als sie. Er könne anders leben als sie. Aber sie mag nicht mit irgendjemand - nur deshalb - . Herr Biermann warf ein, er würde dem dann alle Knochen brechen.
Abschließend sagte Frau H. noch einmal, daß sie sich sehr nach ihm sehnt. Sie will den am 13. Februar geschriebenen Brief abwarten.
FdRdA: .......
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HAXX/1
Gen. Paroch
Berlin, 18. Februar 1966 26/ BA/ 19/66/36 -Fin
Streng vertraulich!
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 18. Februar 1966
Frau B a u m g a r t e n bedankt sich bei Frau H. für die lieben Grüße. Sie erkundigt sich bei Frau H., ob sie die in deutscher Sprache übertragenen amerikanischen Lieder im Studio benutzen darf. Frau H. sagt, daß das noch nicht möglich ist. Diese Lieder wird sie demnächst im Fernsehen und auf Veranstaltungen singen. Frau Baumgarten erwähnt, daß dann doch diese Lieder mitgeschnitten werden. Frau H. bemerkt, daß sie ja diese Lieder noch nicht im Fernsehen gesungen hat. Der Fernsehfunk hat es bisher ihr noch nicht ermöglicht mit diesen Liedern aufzutreten. Frau H. möchte damit eine Sendung im Fernsehen gestalten. Nach dem 11. Plenum wollte Frau H. nicht mit diesen amerikanischen Lieder auftreten. Der neue Oberstelleiter vom Fernsehfunk war ganz begeistert von diesem Programm, aber er ist jetzt krank geworden. Frau H. möchte die Aufführung dieser Lieder nicht blockieren, sie möchte aber die Lieder zuerst öffentlich singen. Peter H a c k s hat diese Lieder für Frau H. aus dem Amerikanischen übersetzt. Diese Lieder sind noch nicht veröffentlicht worden. Frau Baumgarten erwähnt, daß diese Lieder ein guter Beitrag für unsere Folklore sind. Sie vereinbaren, daß sich Frau Baumgarten wieder bei Frau H. meldet.
Herr H a g e n teilt mit, daß er seine Tochter Tina morgen 8.00 Uhr abholt. Frau H. fährt morgen nach Luckenwalde.
F.d.R.d.A.: ...............
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angenommen: Nie. / 1099 / Kölpinsee, den 18. 2. 66 16189 / 11
I n f o r m a t i o n s b e r i c h t
B i e r m a n n
Biermann teilte mir mit, daß er am 18.2.66 gegen 21.15 Uhr einen Anruf aus Berlin erhielt. Biermann unterhielt sich mit einer Dame, deren Namen er mir nicht nannte.
Sie fragte bei ihm an, ob er gut wieder angekommen wäre. Die Dame ist morgen Abend nicht zu Hause. Sie fährt nach Luckenwalde. Biermann bat sie darum, daß sie am 19. 2. 66 noch einmal anrufen möchte, weil er um 10.30 Uhr zum Staatsapparat nach Wolgast bestellt ist. Dort will man irgendetwas von ihm. Biermann weiß nicht genau, was dort los ist. Vielleicht darf er sich nicht länger in Ückeritz aufhalten. Aber er kann ja sein, wo er ist. Noch ja! Biermann bat noch einmal darum, daß sie auf jeden Fall anrufen möchte. Er weiß ja, daß sie telefonisch nicht so lieb sein kann.
Sie möchte sich informieren, ob er von dort zurückgekommen ist. Am späten Nachmittag wird sie anrufen.
gez.: " A r n o "
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Aus einem Brief von Eva-Maria Hagen an Wolf Biermann am 18. Februar 1966
Mein Lieber, eben haben wir telefoneirt. Ich bin in Sorge. Der Gedanke, man heckt was aus gegen Dich, versetzt mich in Sprungbereitschaft und die Fingerkuppen trommeln leise Laute, den die Schutzgöttin Erato mir eingibt für Dich. Sei sicher Liebster, was auch geschieht, immer werde ich zu Dir halten, nie schwach sein. Nur bei Dir ab und zu. Sonst bin ich stark wie eine Eiche und meine Zweige zärtlich wie Birkengrün. Morgen ruf ich an aus Luckenwalde. Ich hoffe, es war was belangloses.
Was Komisches habe ich gesehen im 2. oder 3. Programm. (Die neue Antenne ist toll, jetzt krieg ich alle Programme.) Da war ein Konzert mit Chor, ganz irre haben die sich angestellt. Mit Kratzen und Geschurre, auf einer asymetrischen Trommel. Und wie aus heiterem Himmel dann ein Donnerschlag auf einen Riesengong. Frauen sangen grell einzelne I's und U's, kreischten steinerweichend. Der Dirigent führte sich auf wie ein Schlangenbeschwörer. Hab ich mich amüsiert !
Nun werd ich noch Text büffeln und hoffe, daß meine Gedanken es schaffen, sich von Dir loszureißen für ein Weilchen. Beim Einschlafen bin ich dann wieder ganz bei Dir. Tschüß, mein Herzmund. Eva
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angenommen: Nie. / 1099 / Kölpinsee, den 20.2.66 16189 / 12
I n f o r m a t i o n s b e r i c h t
B i e r m a n nn
Am 19. 2. 66 konnte ich folgendes über Biermann in Erfahrung bringen: Ingeborg erzählte mir, daß Manfred sich erkundigte, ob Biermann schon am 19. nach Wolgast müßte. Manfred wollte Biermann vorher noch etwas sagen. Biermann war jedoch schon in Wolgast. Manfred kannte den frühen Termin nicht. Mir wurde weiterhin bekannt, daß Manfred zu Ingeborg sagte: "Hoffentlich bekommen wir nicht bald Besuch? Du weißt ja wen". Natürlich wußte Ingeborg, wer gemeint war und sie sagte zu Manfred, daß er auch heute Vormittag in Wolgast im Amt weilt. Ingeborg hatte es gehört. "Hoffentlich sehen wir ihn nicht so bald", sagte Manfred noch. Für Wolf ist alles gut ausgegangen. Ingeborg und Manfred hatten schon Befürchtungen. Manfred wollte es Susi gleich erzählen.
Ingeborg erzählte mir dann noch weitere Ereignisse dieses Tages.
Gegen 11.45 Uhr rief Herr Libert (o. ä.) von der Fahrkartenausgabe Wolgast Hafen bei ihr an. Sie wußte anfangs gar nicht, um wen es sich handelt. (L. ließ die Angestellte der Fahrkartenausgabe bei Ingeborg anrufen). Erst als Libert selber mit Ingeborg sprach und sich darauf berief, daß er schon einmal an Ingeborg schrieb, wußte sie, um wen es sich handelt. L. gab sich als guter Freund von Biermann aus und erkundigte sich bei Ingeborg, ob Wolf schon aus Wolgast zurück wäre. Libert hatte aufgepaßt, aber Wolf nicht mehr in Wolgast erwischt. Wolf war schon weggefahren. Ingeborg teilte Libert daraufhin mit, daß alles in Ordnung ist.
Gegen 16.00 Uhr rief Eva - Maria dann aus einem Restaurant in Luckenwalde bei Ingeborg an. Biermann war zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause, sondern bei Kandt. Ingeborg teilte Eva -Maria mit, daß Wolf nur 5 Minuten zur Vorladung war. Es war eine Art Verwarnung. Wolf wird es Eva schon selber erzählen.
Weitere Unterhaltungen über Biermann, wurden an diesem Tage nicht geführt.
gez.: " Arno "
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HA XX/1 Gen. Lohr
Berlin, 28. März 1966
26/BA 19/66/88-Sch 19.30
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 28. März 1966
Herr Wolf Biermann erkundigt sich bei Frau H. nach ihrem Befinden. Frau H. fühlt sich furchtbar einsam. Sie hat sich so an Wolf gewöhnt. Frau H. ist bei Wolf zweimal vorbeigefahren. Sie konnte ihn doch nicht besuchen. Eva will morgen oder übermorgen zu ihm kommen. Wolf hat ein wunderschönes Gedicht geschrieben. Es gefällt ihm oben in der Kammer. Er sieht überhaupt keinen Menschen. Dieses verträgt er aber ausgezeichnet. Wolf gibt Eva noch seine Telefonnummer 394. Es läuft unter Michendorf (o. ä.).
Frau H. wäre bald mit nach Dänemark gefahren, es kam aber was dazwischen. Wolf meint, es ist wichtiger nach Michendorf zu fahren als nach Dänemark. Beide beteuern mehrmals ihre Liebe und Sehnsucht.
F.d.R.d.A............
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Berlin, 6. April 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 30.3.1966
Unterhaltung zwischen Eva und Freundin Gisela. Frau H. erwähnt eine Ballade vom Briefträger.
Sie bezeichnet diese Ballade als ein fortschrittliches Werk. Sie versteht nicht, was man dagegen hat.
Gisela fragt, ob Eva gestern zu der Veranstaltung war. Eva bejaht, danach berichtet sie, daß sie zuerst auf dem Empfang den Silbernen Lorbeer des Deutschen Fernsehfunks erhalten hat. In der Zeitung wurde allerdings ihr Name nicht erwähnt. Gisela erkundigt sich, ob die anderen mit ihr gesprochen haben. Eva sagt, daß sie sich in dieser Beziehung nicht beklagen kann. Alle waren ein wenig angetrunken und irgend jemand hat ihr sogar eine Liebeserklärung gemacht. Mit Heinz Adameck hat sie allerdings nicht zusammengesessen, obgleich sie einem neuen Fernsehchef vorgestellt wurde.
In dem Zusammenhang erzählt Eva, daß sie nach Dänemark fahren sollte und zwar mit dem Film "Reise ins Ehebett". Nun sagte ihr Hasler (o.ä.) bei dem Empfang, daß die Dora nach Dänemark fährt, obgleich diese gar nichts mit dem Film zu tun hat. Angeblich hätte Eva erklärt, daß sie für diese Reise keine Zeit hat. Darüber sprach Eva auch mit dem Nagel und dem Erwin. Diese erwiderten, daß das von ihnen nicht sei. Er wollte wissen, wer das unterschrieben hat.
Auf dem Empfang hat auch der Parteisekretär mit ihr gesprochen. Er bat sie an seinen Tisch. Dort erinnerte er sie daran, daß sie doch eine festangestellte Schauspielerin des Deutschen Fernsehens sei. Aus diesem Grund möchte er von ihr, als auch von allen anderen Schauspielern des Kollektivs, wissen, welche Meinung sie über den Deutschen Fernsehfunk hat, wie sie sich die weitere Arbeit dort vorstellt. Er bat sie ganz offen ihm gegenüber zu sprechen. Eva entgegnete, es sei einer ihrer größten Fehler, immer alles offen zu sagen, was sie denkt. Außerdem hat sie einen berüchtigten Freund. Der Parteisekretär fragt, ob sie Biermann meint. Eva bejahte. Daraufhin sagte er: "Ich sagte schon ... 11. Plenum Fragen unterhalten, die Partei hat große Fehler gemacht und pi-pa-po".
Gisela begreift nicht sofort Evas Worte und fragt: "Hat er gesagt, die Partei hätte große Fehler gemacht?" Eva bestätigt ihrer Freundin, daß sie richtig gehört hat.
(Randbemerkung: Prüfen welcher Parteisekretär anwesend war!)
Eva sagt, es wäre unmöglich, wieviel Extreme sie in der letzten Zeit erlebte. Einmal stand sie kurz vor dem Rausschmiß und dann wird sie über ihre Meinung zum Fernsehfunk befragt. Frau H. findet, daß man solche Situationen niemals in einem Film wahrhaft gestalten könnte.
Einige Kollegen haben Eva gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß sie es überhaupt nicht verstehen, wieso Eva nach dieser Rolle nicht wieder eingesetzt wird.
Der Parteisekretär sagte auch zu Eva, daß sie nicht wollen, daß aus Biermann etwas wird, sondern ihnen liegt viel daran, daß aus Eva etwas wird.
Eva schätzt ein, daß für sie selbst die Chancen nicht schlecht sind. Es bleibt nur die Frage, wer es abgelehnt hat, daß sie nach Dänemark fahren kann. Sie hatte sich diese Reise so schön vorgestellt, mal rauszukommen, sich ein wenig umzugucken und paar nette Sachen kaufen, selbst wenn es nur kleine modische Details sind. Hier in der Republik muß sie mit in jedes Nest gehen, aber ins Ausland darf sie nicht.
Eva teilt Gisela mit, an welchen Foren sie nach dem "Schlüter-Film" teilgenommen hat. In dem Zusammenhang berichtet sie, daß der Hauptdarsteller des "Schlüter-Film", Otto Melies nervlich vollkommen zusammengeklappt ist. Eva erzählt, daß es über den 5. Teil des "Schlüter-Films" harte Diskussionen gab. Gisela und Eva fanden den 5. Teil ein wenig lang, andererseits war dieser Teil jedoch der Höhepunkt. Gisela fragt, ob sich der Autor nach Lerserwünschen gerichtet hat, in dem er Irene und Schlüter zusammenführte. Eva verneint. Wobei sie auch der Ansicht ist, daß das nicht sein mußte. Gisela hat die Larissa sehr gut gefallen, als sie sich vor dem 5. Teil vorstellte. Eva bedauert es sehr, daß sie es nicht sehen konnte.
Eva sagt, daß nachher Herr Otto kommt.
Eva hat während des Empfangs mit dem Krümler (o.ä.) getanzt. K. hat im "Schlüter"-Film den Parteisekretär gespielt. Diesen Mann findet Eva merkwürdig, aber sehr interessant. Er fragte sie, ob sie ihn liebt.
Beide unterhalten sich über eifersüchtige Frauen, die nicht verstehen können, daß ihre Männer auch einmal mit anderen Frauen unterhalten wollen. Eva sagt, daß Wolf gar nicht in Berlin ist. Sie fährt heute abend zu ihm.
Eva versichert, daß sie Wolf sehr liebt.
Gisela nimmt regelmäßig am Parteilehrjahr teil. Sie findet es sehr interessant. Dabei stellt sie fest, daß die Artikel, Aufsätze und Reden über wirtschaftliche Probleme auf einem viel höheren Niveau abgefaßt wurden wie die über Kultur.
Eva erzählt, daß ihr jetzt die Leute von der Nationalen Front, der FDJ usw. die Wände einrennen.
Überall soll sie auftreten und über ihre Arbeit berichten.
F.d.R.d.A.: i.V. Egermann
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MINISTERRAT DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
Geheim!
Ministerium für Staatssicherheit
Abteilung VIII
Bezirksverwaltung Groß-Berlin
Sachbearbeiter Reißmann
Telefon 298
Abteilung XX
Beobachtungsbericht für die Zeit vom 25.4.1966 von 8.30 bis 22.00 Uhr
Decknamen "Brauer" (Wolf Biemann)
Um 09.40 Uhr verließ "Bar" (Eva-Maria Hagen) ihr Wohnhaus und fuhr mit ihrem Pkw in Richtung Stadtmitte davon. Um 15.29 Uhr kam sie mit ihrem Skoda-Felicia vor ihrem Wohnhaus an.
Sie stieg aus dem Wagen und betrat das Haus.
Um 15.50 Uhr verließ "Brauer" das Haus Zelterstraße 6 in Begleitung einer ca. 65-70 Jahre alten weiblichen Person. Sie begaben sich zu dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite abgestellten VW des "Brauer" und fuhren durch die Zelterstraße, Prenzlauer Allee, Weydinger Straße, Liebknechtstraße über den Marx-Engels-Platz zur Ecke Unter den Linden/Otto-Grotewohl-Straße.
Hier stieg die weibliche Person aus dem Wagen und betrat um 15.55 Uhr das Eckgebäude Unter den Linden/Otto-Grotewohl-Straße. "Brauer" fuhr, nachdem er die weibliche Person abgesetzt hatte, auf direktem Wege zur Chausseestraße Nr.131. Er parkte seinen Wagen vor der Haustür und betrat um 15.59 Uhr sein Wohnhaus. Um 16.35 Uhr kam "Brauer" aus seinem Wohnhaus, stieg in seinen Wagen und fuhr durch die Wilhelm-Pieck-Straße, Prenzlauer Allee zur Zelterstraße Nr. 6. Hier parkte er den Wagen vorm Hause Zelterstraße Nr.6 unter der Laterne und betrat um 16.45 das Wohnhaus von "Bar". Um 20.38 kam "Brauer" wieder aus dem Hause, stieg in seinen Wagen, wendete diesen und fuhr mit hoher Geschwindigkeit durch die Prenzlauer Allee in Richtung S-Bahnhof davon.
Durch die hohe Geschwindigkeit des Objektwagens wurde das Objekt in der Prenzlauer Allee Ecke Wicherstraße verloren.
Eine Kontrolle des Objekthauses in der Chausseestraße Nr. 131 verlief ergebnislos.
Um 20.47 Uhr wurde der Volkswagen des Objektes am Hause Zelterstraße Nr. 6 wieder aufgenommen. Hier stand der Wagen wieder unter der Laterne.
Bis 22.00 Uhr trat das Objekt nicht mehr in Erscheinung.
Daraufhin wurde die Beobachtung auftragsgemäß unterbrochen.
Leiter d. Abt. VIII Schulz, Major Referatsltr. Reißmann, Oberleutnant
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Berlin, 3. Mai 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 23. April 1966
In der Unterhaltung zwischen Frau H., den Besuchern Gerd und Gisela wird über den Kauf von Sachen gesprochen. Frau H. bemerkt dazu, daß man in Meissen und Riesa gute Sachen kaufen kann. Ihr ist bekannt, daß die Amerikaner und Franzosen, wenn sie in die DDR kommen, auch immer dort kaufen. Sie spricht von Antiquariatsgeschäften.
Frau H. berichtet von der Filmpremiere in Rostock. Es waren zu dieser Premiere auch die Matrosen von dem Schiff zugegen, wo die Dreharbeiten gemacht wurden.
Diese Matrosen waren alle sehr nett und prima Kerle.
Im weiterem Gespräch erzählt Frau H. von einem Empfang auf der IGA, als das Manöver "Oktobersturm" stattgefunden hatte. Bei diesem Empfang hatten die Generale und einige Leute vom ZK vorn gesessen. Bevor diese Sache aber begann, wurden alle Künstler zusammengescheucht. Ein Kulturfunktionär sagte dann, daß heute abend Walter Ulbricht kommt und sie, die Künstler, möchten sich anständig aufführen. Frau H. hat daraufhin mit der Faust auf den Tisch geschlagen und gesagt, daß sie keine Militärangehörigen sind und sie finde eine solche Äußerung unerhört. Dieser Funktionär war dann so schockiert, daß er nichts mehr sagen konnte. Er hatte vermutlich eine solche Antwort nicht erwartet. Auf diesem Empfang fühlte sie sich nicht wohl. Sie kam sich wie in einem Getto vor. In diesem Zusammenhang erwähnt Frau H., daß sie dort den Leuten vom ZK auch Biermannlieder vorgesungen hat. Herr Sindermann hatte sie ein Lied vorgesungen und ihm gesagt, er soll einmal raten welcher junge Lyriker es geschrieben hat. Gisela wirft ein, daß damals die Biermannlieder doch auch schon nicht mehr erwünscht waren. Damals im Oktober war es noch nicht so schlimm, antwortet Frau H.
Weiter berichtet Frau H., daß im Anschluß an die Veranstaltung noch getanzt wurde. Frau H. wurde auch von einem Leutnant zum Tanz aufgefordert. Sie hat aber abgelehnt und gesagt, daß sie zum Singen hier ist und auch nur dafür ihre Gage bekommt. Fürs Tanzen wird sie nicht bezahlt. "Der schwarze Kanal - Herr Schnitzler" wollte auch mit ihr Tanzen. Sie hatte aber an diesem Abend keine Lust dazu, und mit diesem Herrn schon gar nicht. Bei diesem Empfang liefen sehr viele Leute von der Staatssicherheit umher.
In der weiteren Unterhaltung kommen sie auf den internationalen PEN zu sprechen. Gisela bemerkt etwas von einer Veranstaltung in Amerika und von einem sowjetischen Beobachter. (Einzelheiten wurden nicht bekannt). Frau H. erwähnt, Wolf hätte auch dorthin fahren können, aber leider ist es nicht möglich. Sie fügt noch hinzu, daß Wolf eine Einladung für den Ostermarsch bekam. In diesem Zusammenhang spricht sie noch von einer Aussprache und nennt den Namen Heine (o. ä.).
Frau H. berichtet noch von ihrer Arbeit bei der Konzert- und Gastspieldirektion. Sie hat jetzt sehr viele Aufträge. Sie spricht hierbei von einer Person, welche für sie einige Sachen von Brecht heraussuchen will.
Gerd beteiligte sich nur mit ein paar Bemerkungen an dieser Unterhaltung.
F.d.R.d.A. : Wolf
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Berlin, 5. April 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. 4. 1966
Unterhaltung zwischen Frau H. und Wolf B.
Frau H. berichtet über die Ursachen des kaputten Autoreifens. Sie sagt, daß die Nägel so reingeschlagen wurden, daß die Luft nur langsam entweichen konnte. Bei großer Geschwindigkeit wäre sie unheimlich ins Schleudern gekommen, und es hätte sich ein furchtbarer Unfall ereignen können. Die Kollegen aus der Werkstatt sagten ihr, daß die Nägel von der Innenseite aus in das Rad geschlagen wurden. Sie waren so lang, daß sie sich an der Radkappe umgebogen haben. Wolf erwidert darauf: "Das sind Mörder!" Es ist etwas ganz anderes, wenn man den Reifen zerschneidet, damit man nicht losfahren kann. Bei dieser Methode kann man noch abfahren, bei großer Geschwindigkeit geht die Luft heraus, und man fährt sich tot. Auf diese Art und Weise werden Menschen umgebracht. Er fragt Eva, ob ein solches Beispiel nicht auch in dem "Schlüter-Film" vorkommt. Danach warnt er Eva. Er betont ausdrücklich, daß das Mord ist und schon morgen wiederholt werden kann.
Eva sagt, daß Herr Görlitz ihr in der Nordmarkstr. eine Garage angeboten hat.
Sie wird wahrscheinlich das Angebot annehmen.
Herr B. hat sich von dem Schreck noch nicht erholt. Er sagt, daß es für das Delikt in jedem anständigen Land Zuchthausstrafe gibt. Er vergleicht es damit, wenn jemand Eva mit dem Messer anfällt und zufällig nur den Arm trifft. Dieses Beispiel ist ungefähr dem Autoanschlag gleichzusetzen. Das hat auch nicht mit den Streichen der Halbstarken zu tun, die hin und wieder mit Messern die Autoreifen zerschneiden. Bei diesem Fall handelt es sich nicht um Streiche, sondern um einen vorsätzlichen Mordanschlag.
Frau H. berichtet von dem Besuch des Herrn von der Konzert- und Gastspieldirektion.
Sie teilt Wolf mit, daß dieser Herr im vergangenen Jahr den Auftrag hatte, Biermanns Auftritt zu den Arbeiterfestspielen zu verhindern. Sie sagt Biermann auch, daß die Frau des Herrn an einer medizinischen Fachschule studiert, an der ein Biermann-Abend durchgeführt wurde. Es wurden Platten und Bänder von Biermann-Liedern gespielt. Der Vortrag wurde damit begründet, daß sich Biermann entschuldigt und zur DDR bekannt habe, wonach man ihn nun wieder bringen darf.
Der Herr hat auch Eva gesagt, daß er sich erkundigen will, ob Eva in ihrem Vortrag auch Biermann-Lieder bringen darf. Es liegt kein Verbot vor, wonach die Lieder nicht gebracht werden dürfen.
Eva hat dem Herrn gleich zu verstehen gegeben, daß ihr daran nichts liegt, obgleich es einige Lieder von Wolf gibt, die man durchaus bringen könnte.
Wolfs Mutter hat an Eva Strümpfe geschickt.
Wolf sagt, daß er seine Mutter um hübsche Strümpfe für Eva gebeten hatte.
Wolf macht den Vorschlag, daß Eva die Geschichte mit ihrem Auto der Kriminalpolizei meldet.
Eva ist von seinem Vorschlag zunächst nicht begeistert. Sie glaubt, daß sie dann auch noch von den "Kriminalen" beobachtet werden. Wolf erwidert, daß einige von ihnen sehr nett sind.
Herr B. singt ein Lied über Spanien. (Inhalt des Liedes konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.)
F.d.R.d.A.: Höfner
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Berlin, 2. April 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI -
Bericht vom 1. April 1966
Von Ltn. Hinder, VP Prenzlauer Berg, Melde- u.Berichtswesen, bekommt Frau H. um 20.45 Uhr mitgeteilt, daß der K-Dienst am 1. April nicht mehr zu ihr kommt. Ltn. Hinder begründet das mit der Auffassung, daß es sich um Rowdytum handelt. Anzunehmen sei, daß irgendwelche Jugendliche solche Dinge machen. Frau H. ist nicht dieser Meinung. Sie glaubt, das sei Absicht. Verdachtsmomente dafür hat sie nicht.
Ltn. Hinder teilt mit, daß der diensthabende Offizier vom Revier 65 die Sache eingetragen hat.
Nachdem der Vorgang am 2. April dem Dienststellenleiter vorgelegt wurde, soll der zuständige ABV die Sache in die Hand nehmen. Bei der Untersuchung der Angelegenheit wird sich der ABV den Kriminaldienst zu Rate ziehen. Evtl. wird der ABV mit Frau H. Rücksprache nehmen.
FDRDA: ................
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Berlin, 2. April 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. April 1966
Frau H. unterhält sich ab 21.20 Uhr mit einem Herrn.
Der Name des Herrn war nicht zu ermitteln.
Sie begrüßen sich in einer Fremdsprache. Danach fragt der Herr, wie es Frau H. geht.
Sie antwortet, es sei ganz schwierig, da "hier bei uns" eine seltsame Situation besteht.
Näher könne sie das zur Zeit nicht erklären. Der Herr ist darüber informiert, er hat davon gelesen.
Auf die Frage von Frau H., wie es ihm geht und was er macht, antwortet der Herr seinerseits, er arbeite und saufe. Was er arbeitet, will er Frau H. nicht sagen. Er erklärt aber gleich anschließend, daß er an der "Königlichen" den Assistenz... macht. Von sich sagt Frau H., sie arbeite nicht. Der Herr stellt ihr die Frage, ob sie verheiratet ist. Frau H. gibt zur Antwort, sie heirate nicht.
Auf die Frage, ob Frau H. Schwierigkeiten hat, sagt sie nur, sie habe Schwierigkeiten anderer Art.
Sie vergewissert sich, ob der Herr diese Bemerkung versteht.
Beide unterhalten sich dann fremdsprachig weiter.
Der Herr erkundigt sich, ob Frau H. einen neuen Mann gefunden hat.
Sie sagt ihm, sie habe immer noch den alten. Peter sei es nicht.
Nach einigen fremdsprachigen Worten erläutert Frau H., der Herr wisse doch, wer ihr Mann ist.
Der Herr habe doch sein Foto bei ihr an der Wand gesehen. Das streitet der Herr zunächst ab, erinnert sich dann aber doch und sagt, er habe da etwas im "Spiegel" gelesen. Sie sprechen fremdsprachig weiter, und der Herr bemerkt, das sei kein Mann für Frau H., sondern nur eine Rolle. Frau H. lacht darüber. Sie glaubt das nicht. Der Herr meint daraufhin, wenn er sich in zehn Jahren noch einmal mit Frau H. darüber unterhält, werde sie sehen, daß er Recht hatte.
Längere Zeit setzen sie die Unterhaltung fremdsprachig fort.
Frau H. erwähnt dabei den Begriff "Finnland", während der Herr über "Klingenthal" spricht.
Der Herr kommt darauf zu sprechen, daß er dann in Stockholm ausgehen "und saufen" will. Frau H. meint, sie könne ihn nicht zurückhalten; der Schnaps sei aber in Stockholm sehr teuer.
Der Herr rechnet Frau H. vor, daß er von Montag bis Donnerstag der Woche arbeitet. Am Freitag geht er "saufen", schläft dann über das Wochenende aus. Der Rhythmus wiederholt sich dann.
Sie unterhalten sich über das Briefeschreiben. Nach einigen fremdsprachigen Sätzen meinte der Herr, es sei möglich, daß "man für so das genommen hat - Eva steht auf der schwarzen Liste". Frau H. meint, das wäre Quatsch, und der Herr entgegnet, das sei überhaupt kein Quatsch.
Frau H. teilt mit, daß an ihrem PKW am 1. April die Reifen mit Nägeln durchstoßen wurden. Das sei aber für den Herrn nicht so interessant. Der Herr sagt ihr, sie solle nicht so nervös sein.
Er erkundigt sich nach dem Befinden von Nina.
Frau H. beschreibt dann, was gegenwärtig im Fernsehen gezeigt wird. Anschließend sprechen sie wieder fremdsprachig. Der Herr gebraucht einen Ausdruck und übersetzt "Ich saufe auf dein Wohl". Frau H. gibt ihm den Rat, sich danach nicht in die Büsche zu schlagen, da es in Stockholm noch recht kühl ist.
Frau H. wünscht dem Herrn noch einen schönen Abend.
Sie verspricht, sich mit ihm wieder einmal in Verbindung zu setzen.
Der Herr und Frau H. sind per "du".
Anschließend arbeitet Frau H. mit Wolf Biermann an einem neuen Lied.
Gemeinsam gehen sie den Text durch. Frau H. erlernt die Melodie.
FdRdA: .........
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Gen. Brosche
Berlin, 5. April 1966
26/B/19/66/101/Höf
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. 4. 1966
Unterhaltung zwischen Frau H. und einem Herrn.
Der Herr will ein Tourneeprogramm für 1 1/2 Stunden zusammenstellen. Er bittet um Evas Vorschläge für dieses Programm. Frau H. würde gern wieder Schlager und Chansons singen, sie würde auch gern ihre Lieder selbst ansagen.
Der Herr sieht ein Bild von Wolf und fragt, ob das ihr Mann ist. Frau H. erwidert, daß das ihr Freund ist. Sie ist nicht verheiratet. Der Herr versucht sich zu erinnern, woher er den Freund von Frau H. kennt, schließlich fragt er, ob es Biermann ist. Frau H. bejaht. Der Herr erzählt, daß er mit Biermann im vergangenen Jahr etwas durchmachte. Und zwar wollte Biermann mit Manfred Krug im vergangenen Jahr zu den Arbeiterfestspielen auftreten. Das war jedoch nicht erwünscht und so mußte der Herr hinfahren und aufpassen, daß Biermann nicht singt. Biermann ist jedoch gar nicht erst gekommen. *) handschriftl. Vermerk: "Man rechnet damit, daß das 11. Plenum verwässert wird".
Die Frau des Herren studiert. In der vergangenen Woche haben sie über die Fragen der Kultur gesprochen. Als sie nach dem Seminar nach Hause kam, erzählte sie folgendes: Während des Vortrags über Fragen der Kultur wurden ihnen die ganzen Biermann-Platten vorgespielt. Die Dozentin hatte das damit begründet, Biermann hätte sich entschuldigt, damit sei alles wieder in Ordnung und man könnte seine Sachen wieder bringen. Eva amüsiert sich darüber. Sie fragt, wo diese Schule ist. Die Schule befindet sich in Frankfurt. Frau H. gibt der Hoffnung Ausdruck, daß sich auch für Wolf die Zeiten ändern werden. Er wird bestimmt bald wieder öffentlich singen können. Zumindestens wird er wieder einiges singen können, schon jetzt ist es nicht mehr so. Eva betont, daß sie alle Strömungen sehr leicht mitbekommt. Aber mit ihr hat das alles nichts zu tun. Der Herr verneint, er wird auch nicht darüber sprechen, eigentlich ist er nur darauf gekommen, weil das Bild zu sehen war. Eva sagt, daß die Kollegen vom Deutschen Fernsehfunk von ihrer Verbindung zu Wolf Biermann wissen. Ihre Kollegen werden auch nicht von ihr verlangen, das sie sich von Wolf trennt, schließlich liebt sie den Mann.
Der Herr sagt, daß nach dem Interview mit Oertel der Manfred Krug in den Programmen der öffenltichen Veranstaltungen nicht mehr gefragt ist. Am meisten wurde dem Krug angekreidet, daß er das "Neue Deutschland" angegriffen hat. Der Herr vermutet, daß man das dem Manfred Krug so schnell nicht wieder vergessen wird. Eva erzählt, daß Wolf einmal für die Kongreßhalle als Zuschauer eine Karte hatte. Er wurde trotz der Karte nicht hereingelassen.
Daraufhin hatten sich der Manfred Krug und der Eberhard Esche geweigert, zur Veranstaltung aufzutreten. Auf Grund dieser Vorkommnisse hat die Veranstaltung mit großer Verspätung angefangen.
Eva erläutert noch dazu, daß man Wolf Biermann erst danach das Hausverbot für die Kongreßhalle ausgesprochen hat.
Der Herr bittet Frau H., nicht über das Vorkommnis auf der Schule seiner Frau zu sprechen, damit die Lehrerin keine Schwierigkeiten bekommt. Wenn er diese Sache beispielsweise seinem Direktor berichten würde, ginge dieser sofort zur Partei und würde ein ganz großes Faß aufmachen.
Sie unterhalten sich danach über die Termine, die für Frau H. im April noch offenstehen. Sie sprechen dann wieder über das Programm, das auszufüllen ist. Frau H. würde gern einige Lieder zur Gitarre singen, wie "Weißt Du wo die Blumen sind ..." und einige Brecht-Lieder. Frau H. diktiert dem Herren die Titel der Lieder, die sie bringen kann. U. a. erwähnt sie auch das "Lied von der Dicken" und "Es war einmal ein Ritter ..." *).
(Der Herr ist von der Konzert- und Gastspieldirektion). *) handschriftl. Vermerk: "Überprüfen ob das Biermann-Titel sind"
F.d.R.d.A.: Höfer
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Berlin, 12. April 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 12. April 1966
Herr Kretschmar vom DT 64 teilt der Frau H. mit, daß sie die Sache bei den Soldaten in Dresden für Sonntag geplant haben. Es wirken dort auch Perry Friedmann, Christel Schulz und Klaus Schneider mit. Frau H. ist an diesem Sonntag noch frei. Sie findet es gut, daß Klaus Schneider dabei ist, da er sie dann begleiten kann. Herr Kretschmar möchte ihr in den nächsten Tagen noch die Busabfahrtszeit mitteilen.
Er wird ihr noch genauen Bescheid geben.
F.d.R.d.A. : Wolf
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X/1 Gen. Brosche
Berlin, 12. April 1966
26/ BA 19/66/111 - Fin
Vertrauliche Dienstsache!
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 12. April 1966
S. bittet Eva H. um ihre Hilfe. Er erzählt ihr, daß er einen Freund hat, dessen Mädchen ein Kind bekommt. Eva sagt darauf, daß sie da nicht helfen kann, sie weiß auch nicht, wer so etwas tut. Sie empfiehlt S., daß sein Freund einen direkten Weg gehen soll und nicht auf Umwegen. Sie findet überhaupt diese Sache sehr merkwürdig und unverschämt, an dieser Stelle darüber zu sprechen.
Sie betont nochmals, daß sie in dieser Sache nicht helfen kann.
F.d.R.d.A. .................
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Abteilung XX Berlin, den 21. 4. 1966
AOP 11806/85 Bd.IV
A k t e n v e r m e r k
Am 20. 4. 1966 wurde durch Unterzeichneten eine Absprache mit dem Genossen Hauptmann B r o s c h e von der HA XX geführt. Diese Absprache machte sich erforderlich, weil sich B i e r m a n n zur Zeit bei der H a g e n aufhält. Da die Hagen von der HA XX unter Kontrolle gehalten wird ist eine Koordinierung der operativen Arbeit bzw. eine gegenseitige Information von nöten.
Über das gegenwärtige Verhalten des B. konnte der Gen. Brosche folgendes mitteilen:
B i e r m a n n hielt sich bis zum 16. 4. bei dem Schriftsteller Peter H u c h e l in Potsdam auf. Durch die Hagen ist B. des öfteren von dort abgeholt worden, weil die H. angeblich nicht ohne B. sein konnte. Durch die HA XX wurden über die BV Potsdam operative Maßnahmen eingeleitet, damit B. dort unter Kontrolle ist. Über das Ergebnis der operativen Maßnahmen konnte der Gen. Brosche noch nichts sagen.
Gen. Brosche war erstaunt, daß wir nicht davon unterrichtet wurden, daß sich B. in Potsdam aufhielt.
Zum Verhältnis H a g e n - B i e r m a n n
B. versucht die H. so zu beeinflussen, daß sie sich konspirativ verhalten soll. Beide leiden darunter, daß sie sich ständig beobachtet fühlen. Die H. ist völlig mit den Nerven herunter, was sich schon auf ihrer Arbeitsstelle bermerkbar macht. Dort schreit sie und benimmt sich oft hysterisch.
Die H. soll in ihrer Wohnung einen Dolch versteckt haben, um sich eventuell wehren zu können, wenn sie abgeholt werden sollte. B i e r m a n n und die H a g e n besuchen öfter den H a v e m a n n . In der vorherigen Woche (genauer Termin konnte nicht gesagt werden) war B i e r m a n n gemeinsam mit H a v e m a n n und B u n g e im Hotel "Berolina". An diesem Treffen haben auch einige Vertreter aus der SU teilgenommen. Nähere Einzelheiten sind nicht bekannt. Bei der Hagen wird vermutet, daß diese süchtig ist.
In den Verbindungskreisen von B. wird vermutet, daß der B u n g e "SED Spitzel" ist. Man sagt, daß er nur zum Schein aus der Akademie heraus geschmissen wurde. Außerdem wurden meist die Besucher aus Westdeutschland oder Westberlin, die den Bunge aufsuchten, an der Grenzübergangsstelle durchsucht.
Es besteht also ein gewisses Mißtrauen untereinander, was zur Folge hat, daß sie sich konspirativer bewegen.
Das gegenseitige Mißtrauen wurde durch operative Maßnahmen der HA XX verstärkt.
Mit einigen Verbindungen des B. wurde auf Anregung des ZK nochmals persönliche Aussprachen geführt.
Die Aussprache wurde durch den Verlagsdirektor des Verlages Volk und Welt durchgeführt.
Dabei ging es um folgende Fragen:
1. Das sie nochmals aufgefordert wurden keine Schriften zu fertigen, die sich gegen die DDR richten oder die Verhältnisse in der DDR falsch darstellen.
2. Keine Veröffentlichungen in Westdeutschland, Westberlin und im kapitalistischen Ausland zu machen.
3. Keine Verträge mit Westdeutschen oder Ausländischen Verlagen und Rundfunkstationen abzuschließen.
Zu solch einer Aussprache wurde auch B. eingeladen. Er ist bisher dieser Einladung nicht nachgekommen.
Genosse B r o s c h e teilte mit, daß die H a g e n öfter im Jugendklub Pankow Veranstaltungen durchführt. Dort würden gute Möglichkeiten bestehen den IM "Burghardt" mit der H. in Verbindung zu bringen.
Weiterhin übergab Gen. Br o s c h e eine ausführliche Information über B i e r m a n n.
Es wurde vereinbart, daß wir ständig in Kontakt bleiben und uns gegenseitig über Biermann betreffende Fragen austauschen.
(Trölsch) Leutnant.
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HA XX/1 Gen. Brosche
Berlin, 22. Apil 1966
26/ BA/ 19/ 66/129 -Sch
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 22. April 1966 (16.20 Uhr)
Gisela S c h . teilt Eva mit, daß sie morgen Mittag zu einem kurzen Besuch kommt. Eva ist morgen zu Hause.
F.d.R.d.A. .........
Randbemerkung, handschriftlch: "lesbische Freundin der Hagen"
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REGIERUNG DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
Ministerium für Staatsicherheit
Geheim!
Hauptabteilung/Abteilung VIII
Bezirksverwaltung Groß-Berlin
Sachbearbeiter Scheithauer
Zimmer 302 Telefon 413
An die
Hauptabteilung/Abteilung XX
Bezirksverwaltung Groß-Berlin
Beobachtungsbericht
Für die Zeit vom 09.05.1966 von 09.00 bis 21.00 Uhr
" 10.05.1966 von 09.00 bis 23.15 Uhr
" 11.05.1966 von 09.00 bis 21.00 Uhr
" 12.05.1966 von 09.00 bis 21.00 Uhr
" 13.05.1966 von 09.00 bis 21.00 Uhr
" 14.05.1966 von 09.00 bis 21.00 Uhr
Decknamen "Brauer" Reg.-Nr. des Auftrages 57/66
Beobachtung am 09.05.1966 von 09.00 Uhr - 21.00 Uhr
Die Beobachtung wurde am Wohnhaus der Verbindung "Bar" in der Zelterstraße angesetzt.
Bei der Aufnahme der Beobachtung parkte der Pkw von "Brauer" am genannten Wohnhause.
Um 13.37 Uhr verließ "Brauer" das Haus, bestieg sein Fahrzeug und fuhr durch die Prenzlauer Allee in Richtung Alexanderplatz. Um 13.40 Uhr wurde das B-Fahrzeug am Prenzlauer Tor durch Verkehrsregelung aufgehalten, während "Brauer" in Richtung Alexanderplatz weiterfahren konnte.
Dadurch geriet er außer Kontrolle. Daraufhin wurden bis 16.20 Uhr die bekannten Anlaufstellen abgesucht. Um 16.20 Uhr wurde das Fahrzeug von "Brauer" vor seinen Wohnhaus in der Chausseestraße 131 parkend aufgenommen. Um 16.58 Uhr verließ "Brauer" sein Wohnhaus, bestieg sein Fahrzeug und fuhr auf direktem Wege zum Wohnhaus der bekannten Verbindung "Bar" in der Zelterstraße.
Er verließ das Fahrzeug ohne abzuschließen und betrat um 17.06 Uhr das Wohnhaus von "Bar".
Um 17.53 Uhr verließen "Brauer" und"Bar" das Wohnhaus, bestiegen den Pkw von "Brauer" und fuhren gemeinsam über Dunkerstraße zur Lychener Straße. In Nähe der Stargarder Straße hielt "Brauer" an.
Beide verließen nicht das Fahrzeug. Nach ca. 3 Minuten, um 17.58 Uhr fuhren sie weiter zur Seelower Str., wo sie am Haus Nr.7 anhielten. Sie verließen den Pkw und betraten um 18.00 Uhr das genannte Haus, der Verbleib im Wohnhause konnte nicht festgestellt werden.
Um 18.10 Uhr verließen "Brauer" u. "Bar" das Haus Seelower Str.7 u. bestiegen das Fahrzeug (siehe Bild).
Sie fuhren weiter durch die Schönhauser Allee zur Eberswalder Straße, wo "Brauer" das Fahrzeug parkte. Gemeinsam liefen beide zur Gaststätte "U-Bahn" in der Schönhauser Allee, die sie um 18.17 Uhr betraten. Beide nahmen an einem freien Tisch platz. Sie speisten etwas und tranken alkoholfreie Getränke.
Um 18.50 Uhr verließen "Brauer" und "Bar" das Lokal und liefen, sich führend, zurück zum Pkw.
In diesem nahmen sie platz und fuhren über Dimitroffstraße, Prenzlauer Allee, zurück zur Zelterstraße, wo sie um 18.56 Uhr ankamen. Sie verließen das Fahrzeug und betraten das Wohnhaus von "Bar".
Um 19.20 Uhr konnte auf der Straße gehört werden, wie "Bar" Lieder sang.
Bis um 21.00 Uhr traten beide nicht mehr in Erscheinung.
Daraufhin wurde die Beobachtung auftragsgemäß unterbrochen.
Beobachtung am 10.05.1966 von 09.00 Uhr - 23.15 Uhr
Die Beobachtung wurde am Wohnhaus von "Bar" in der Zelterstraße angesetzt.
Um 19.22 Uhr verließen "Brauer" und "Bar" das Wohnhaus und bestiegen den Pkw von "Brauer".
Daraufhin fuhren sie über die Prenzlauer Allee, Alexanderplatz, Unter den Linden, Friedrichstraße zur Straße "Am Weidendamm". Hier verließen "Brauer" und "Bar" das Fahrzeug und begaben sich zum Presse-Club im Hause der "Distel", den sie um 19.30 Uhr betraten. Um 19.58 Uhr verließen sie den Presse-Club und begaben sich eine Treppe höher zum Kabarett "Distel", wo sie sich das Programm anschauten.
Nach der Vorstellung verließen "Brauer" und "Bar" den Zuschauerraum und begaben sich erneut in den Presse-Club, den sie um 22.02 Uhr betraten.
Um 22.58 Uhr verließen "Brauer" und "Bar", in Begleitung einer männlichen Person, die den Decknamen "Karl" erhält, den Presse-Club. Sie begaben sich zum Ausgang in der Friedrichstraße. Während "Brauer" das Fahrzeug holen ging, warteten "Bar" und "Karl" am Ausgang. Um 23.01 Uhr stiegen beide in den Pkw von "Brauer", der vorgefahren kam. Daraufhin fuhren sie zur Invalidenstraße 143. "Karl" verließ das Fahrzeug und betrat um 23.03 Uhr das genannte Haus, welches er anschließend abschloß. Der Verbleib von "Karl" konnte dadurch nicht mehr festgestellt werden.
Nach dem "Karl" das Fahrzeug verlassen hatte, fuhren "Brauer" und "Bar" auf kürzestem Wege zum Wohnhaus in der Zelterstraße, welches sie, nachdem das Fahrzeug abgestellt war, um 23.10 Uhr betraten. Daraufhin wurde die Beobachtung um 23.15 Uhr auftragsgemäß unterbrochen.
Personenbeschreibung von "Karl"
ca. 30 Jahre alt, ca. 1,80 m groß; schlanke Figur; ovales blasses Gesicht; blondes Haar. Bekleidung: Grauer Anzug. Er trug eine dunkle Aktentasche bei sich.
Beobachtung am 11.05.1966 von 09.00 Uhr - 21.00 Uhr
Die Beobachtung wurde am Wohnhaus von "Bar" angesetzt. Um 18.00 Uhr verließen "Brauer" und "Bar" ihr Wohnhaus und liefen zur Prenzlauer Allee 171 und betraten das dortige Elektrogeschäft. Um 18.06 Uhr verließen sie dieses Geschäft und begaben sich in die Einkaufshalle an der Ecke Prenzlauer Allee/Erich-Weinert-Straße. Nach ca. 3 Minuten verließen "Brauer" und"Bar" die Einkaufshalle und blieben am Eingang stehen. Gleich darauf verließ eine weibliche Person ebenfalls die Einkaufshalle und gesellte sich zu "Brauer" und "Bar". Diese Person erhält den Decknamen "Hefe". Alle Drei liefen eingehakt durch die Prenzlauer Allee (siehe Foto) und führten einen Einkaufsbummel durch. Nach Beendigung des Einkaufsbummels liefen alle drei weiter über Marienburger Str., Winsstr. zur Immanuelkirchstraße, wo sie gemeinsam um 18.51 Uhr das Haus Nr. 20 betraten. Der Verbleib im Hause konnte nicht mehr festgestellt werden.
Um 19.27 Uhr verließen "Brauer" und "Bar" das genannte Haus und liefen zur Straßenbahnhaltestelle in der Prenzlauer Allee. Von hier fuhren sie mit einer Bahn der Linie 72 bis zum S-Bahnhof Prenzlauer Allee. Beide liefen in Richtung Zelterstr. weiter. "Bar" knickte öfters in den Knieen ein und hatte einen unsicheren Gang. Vor dem Hause Prenzlauer Allee 175 blieben sie stehen und "Brauer" stützte "Bar". Anschließend liefen sie in den Hausflur des Hauses Nr. 175, wo sie ca. 4 Min. stehenblieben. Nach Verlassen des Hauses liefen sie langsam zur Zelterstraße und betraten um 19.50 Uhr das Wohnhaus von "Bar". Danach traten "Brauer" und"Bar" nicht mehr in Erscheinung.
Um 21.00 Uhr wurde die Beobachtung auftragsgemäß unterbrochen.
Personenbeschreibung von "Hefe"
ca. 20 Jahre alt, ca. 1,68 m groß, schlank, ovales blasses Gesicht, dunkles fast schwarzes Haar (lang, bis zur Schulterhöhe). "Hefe" hat ungelenke Bewegungen an sich, sie hat Ähnlichkeit mit "Bar". Bekleidung: 3/4 langer Pepitamantel mit Hängegürtel und Gehschlitzen, rote Silastikhose, schwarze Halbschuhe.
Beobachtung am 12.5.1966 von 09.00 Uhr - 21.00 Uhr
Die Beobachtung wurde am Wohnhaus von "Bar" angesetzt. um 12.48 Uhr verließen "Brauer" und "Bar" das Haus, liefen zum Wagen von "Brauer" und hantierten kurze Zeit an diesem herum. Danach liefen sie zum Elektroladen, Prenzlauer Allee 171. Um 13.02 Uhr kamen beide aus dem Geschäft und liefen zum Postamt 72, Erich-Weinert-Str. Nr.77, das sie um 13.05 Uhr betraten. Um 13.10 Uhr kamen sie aus dem Postamt und liefen über die Meyerheimstr. zum Wohnhaus von "Bar", das sie um 13.15 Uhr betraten.
"Bar" verließ um 13.22 Uhr das Wohnhaus und rannte in Richtung Prenzlauer Allee davon. Um 13.58 Uhr befand sich "Brauer" kurze Zeit auf dem Balkon der Wohnung von "Bar" und blickte hinunter zu einem unten parkenden schwarzen Wolga mit dem polizeilichen Kennzeichen I E 62 - 05. "Bar" kam um 14.13 Uhr frisch frisiert aus der Prenzlauer Allee zurück, begrüßte den Fahrer des Wolga mit Handschlag und ging anschließend in ihr Haus.
Um 14.26 Uhr kam "Brauer" mit einem Koffer und einem Guitarrenkasten in der Hand aus dem Haus. Gemeinsam mit dem Fahrer des Wolga verstaute er beide Dinge in den Kofferraum des Wolga. Danach ging "Brauer" wieder ins Wohnhaus von "Bar" zurück. "Bar" kam um 14.28 Uhr aus dem Haus, bestieg den Wolga und fuhr mit dem Fahrer davon. "Brauer" verließ das Haus um 14.40 Uhr und kam um 14.43 Uhr mit seinem Wagen aus der Zelterstraße herausgefahren. Er fuhr zum Strausberger Platz, wo er um 14.51 Uhr das Haus Strausberger Platz 18 betrat. Um 16.43 Uhr kam "Brauer" aus dem Haus Strausberger Platz 18, lief zu seinem Fahrzeug, das auf dem Mittelstreifen der Karl-Marx-Allee stand, stieg ein und fuhr über Alexanderplatz, Rathausstr., Marx-Engels-Platz, Friedrichstraße zur Chausseestraße. "Brauer" hielt um 16.50 Uhr vor seinem Wohnhaus in der Chausseestr., stieg aus und ging hinein.
"Brauer" verließ um 18.05 Uhr sein Wohnhaus mit einer kleinen Tasche in der Hand, stieg in den Wagen und fuhr zum Geschäft Elektro-Blitz-Mitte, Wilhelm-Pieck-Str.138 (18.07Uhr). Da das Geschäft geschlossen war, stieg "Brauer" wieder in sein Fahrzeug und fuhr über Prenzlauer Allee zur Zelterstaße, wo er um 18.13 Uhr das Wohnhaus von "Bar" betrat.
Um 21.00 wurde die Beobachtung auftragsgemäß unterbrochen.
Beobachtung am 13.5.1966 von 09.00 Uhr - 21.00 Uhr
Die Beobachtung von "Brauer" wurde am Wohnhaus von "Bar"angesetzt. "Brauer" verließ das Haus um 14.30 Uhr, bestieg seinen Wagen und fuhr über Prenzlauer Allee, Rosenthaler Platz zur Hannoverschenstr., wo er sein Fahrzeug an der Ecke Chausseestraße abstellt. Er betrat sofort danach um 14.37 Uhr sein Wohnhaus. Um 15.20 Uhr kam "Brauer" in Begleitung einer männlichen Person im Alter von ca. 40 Jahren, 1,75 m groß, schlank, Sportsfigur, dunkle Haare aus seinem Wohnhaus. Beide stiegen in den Pkw von "Brauer" und fuhren zum S-Bhf. Friedrichstraße. "Brauer" kam um 15.23 Uhr in seinem Wagen vom Taxistand am S-Bahnhof Friedrichstraße herausgefahren. Der Verbleib der männlichen Person konnte nicht festgestellt werden. Wegen Verkehrsbehinderung kam "Brauer" aus der Kontrolle.
Um 15.35 Uhr konnte er mit dem Fahrzeug in der Prenzlauer Allee Ecke Erich-Weinert-Straße wieder aufgenommen werden. Er kam aus Richtung Alexanderplatz gefahren, wendete in der Erich-Weinert-Str., fuhr zurück und bog in die Zelterstraße ein, wo er um 15.36 Uhr ins Wohnhaus von "Bar" ging. "Brauer" kam mit seinem Fahrzeug um 15.54 Uhr aus der Zelterstraße gefahren, bog in die Prenzlauer Allee ein, fuhr in Richtung Alexanderplatz davon und geriet aus der Kontrolle. Die Beobachtung wurde um 16.15 Uhr an seiner Wohnung in der Chausseestraße wieder aufgenommen. Das Fahrzeug stand vor dem Haus.
"Brauer" kam um 16.40 Uhr zu Fuß mit einer weiblichen Person, nachfolgend "Gerste" genannt, an seinem Wohnhaus an und betrat dasselbe zusammen mit ihr. Um 17.22 Uhr kam "Brauer" in Begleitung von "Gerste" und einem ca. 7. Jahre alten Jungen aus seinem Wohnhaus und lief mit ihnen die Friedrichstraße in Richtung S-Bhf. entlang. Alle drei betraten um 17.24 Uhr das Foto-Optik-Geschäft Friedrichstraße 121 und ließen sich einen Fotoapparat Marke Pouva-Start vorführen. Den passenden Film ließen sie gleich einlegen. Noch im Fotogeschäft übergab "Brauer" dem Jungen den Apparat. Sie bezahlten den Apparat und verließen gemeinsam um 17.33 Uhr das Geschäft. Anschließend liefen sie weiter bis zur Auffahrt des Grundstückes Friedrichstraße 120. Um 17.36 Uhr liefen sie die Auffahrt ein kleines Stück herauf, fotografierten sich gegenseitig und erklärten dem Jungen die Funktion des Apparates. Dann liefen sie um 17.43 Uhr die Friedrichstraße weiter entlang, bogen in die Reinhardtstr. ein und gingen alle drei um 17.45 Uhr in den Eisladen, Reinhardtstr. 11. Um 17.48 Uhr kamen sie aus dem Eisladen heraus und liefen über die Reinhardtstr. zur Schumannstraße. Am Deutschen Theater sahen sie sich die dort stehenden Schaukästen an und liefen dann weiter zum Platz vor dem Deutschen Theater, wo sie stehenblieben und abermals fotografierten.
Um 17.55 Uhr kam eine männliche Person, nachstehend "Hopfen" genannt, aus dem Deutschen Theater, lief auf "Brauer" und "Gerste" zu und begrüßte sie sehr herzlich und lautstark. "Brauer" und "Gerste", "Hopfen" sowie der Junge fotografierten sich nach der Begrüßung gegenseitig, teils vor dem Theater, teils auf dem Rasen des Parkes. Danach liefen sie durch die Parkanlage zur Reinhardstraße und weiter zur Friedrichstraße und in dieser in Richtung Chausseestraße. "Hopfen" wurde um 18.15 Uhr von "Brauer" vor dem Hause Friedrichstr. Nr. 128 verabschiedet. "Brauer" betrat dieses Haus, lief bis zur III. Etage hinauf und klingelte an der rechten Wohnungstür. Er wurde von einer männlichen Person sehr lautstark begrüßt. Das Schild an dieser Wohnung trägt den Namen W. Kaiser. Die Wohnung wurde von "Brauer" wieder um 18.17 Uhr verlassen. Er rannte die Treppen hinunter, verließ das Haus, überquerte die Friedrichstraße und traf sich gegenüber wieder mit "Gerste" und dem Jungen, die vor dem Schreibwarengeschäft warteten.
"Gerste", der Junge und "Hopfen" überquerten, nachdem sich "Brauer" um 18.15 ins Haus Friedrichstraße 128 begab, die Friedrichstraße. Vor dem bereits genannten Schreibwarengeschäft verabschiedete sich "Hopfen" auch von "Gerste" und dem Jungen und entfernte sich in Richtung Oranienburger Straße.
"Brauer" und "Gerste", die sich um 18.18 Uhr vor dem Schreibwarengeschäft getroffen hatten, trennten sich sofort wieder.
"Gerste" überquerte die Wilhelm-Pieck-Straße und lief zum Parkplatz Chausseestraße. "Brauer" überquerte mit dem Jungen die Friedrichstr. und betrat abermals den Foto-Optik-Laden, Friedrichstr. 121. Nach ca. 2 Minuten kam er mit dem Jungen wieder heraus. Sie überquerten wieder die Friedrichstraße. Während "Brauer" vor dem Laden der "VDN" stehenblieb, betrat der Junge das Schreibwarengeschäft. Kurz darauf kamen sie wieder zusammen und liefen auf dem kürzesten Weg zum Wohnhaus von "Brauer", das sie um 18.27 Uhr betraten.
In der Zwischenzeit bestieg "Gerste" auf dem Parkplatz Chausseestraße den Pkw Ford Taunus 12 M (Taubenblau), polizeiliches Kennzeichen B-MW 55. Sie fuhr vom Parkplatz und versuchte in der Friedrichstraße "Brauer" und den Jungen aufzunehmen. Diese waren jedoch inzwischen schon zu Hause. Daraufhin fuhr "Gerste" wieder zurück und stellte den Pkw auf dem Parkplatz ab. Sie verließ das Fahrzeug, lief auf dem kürzesten Weg zum Wohnhaus von "Brauer" und betrat dieses.
Um 19.13 Uhr verließen "Brauer" und "Gerste" das Wohnhaus und verabschiedeten sich. "Brauer" bestieg sein vor dem Haus parkendes Fahrzeug und fuhr Wilhelm-Pieck-Str. in Richtung Rosenthaler Platz. "Gerste" lief zum Parkplatz, bestieg dort den Ford Taunus und fuhr in Richtung S-Bhf. Friedrichstraße davon.
Die Beobachtung "Brauer" wurde um 19.33 Uhr in der Nähe der Zelterstraße wieder aufgenommen. Das Fahrzeug von "Brauer" stand vor dem Wohnhaus von "Bar". Bis 21.00 Uhr trat "Brauer" nicht mehr in Erscheinung. Um 21.00 Uhr wurde die Beobachtung auftragsgemäß unterbrochen.
Personenbeschreibung von "Hopfen": ca. 25 Jahre alt, ca. 1,72 m groß, sehr schlank, schmales Gesicht, lange Nase, Oberlippenbart, dunkelblondes Haar.
Bekleidung: Affenhautjacke. "Hopfen" hat ein ungepflegtes Äußeres und bewegt sich schlaksig.
Anmerkung:
Um 17.53 Uhr, als "Brauer", "Gerste" und der Junge vor dem Deutschen Theater fotografierten, kam eine jüngere männliche Person aus Richtung Reinhardtstraße und setzte sich auf eine Parkbank vor dem Deutschen Theater. Diese Person orientierte sich stark auf "Brauer", "Gerste" und den Jungen. Auch der kurz darauf hinzugekommene "Hopfen" wurde von der männlichen Person von der Parkbank aus intensiv beobachtet.
Anschließend wurde festgestellt, daß eine Beobachtungsgruppe vorhanden war, die "Gerste" unter Kontrolle hatte. Aus diesen Grunde wurde auch "Brauer" um 19.13 Uhr als der mit "Gerste" das Wohnhaus verließ nicht weiter beobachtet.
Weiter wurde festgestellt, daß diese Beobachtungsgruppe mit einem schwarzen Wartburg arbeitete.
Die anschließende Überprüfung des polizeilichen Kennzeichens ergab, daß es sich um eine Beobachtungsgruppe der HA VIII handelte. Dabei wurde uns bestätigt, daß diese Gruppe die Verbindung "Gerste" unter Kontrolle hielt.
Beobachtung am 14.05.1966 von 09.00 Uhr - 21.00 Uhr
Die Beobachtung wurde am Wohnhaus von "Bar" angesetzt. Um 14.10 Uhr verließ "Brauer" das Wohnhaus, bestieg seinen VW und fuhr über Prenzlauer Allee und weiter durch die Grellstraße in Richtung Greifswalder Straße. Durch Verkehrsbehinderung geriet "Brauer" in der Grellstraße außer Kontrolle. Das anschließende Suchen an den bekannten Anlaufstellen blieb erfolglos.
Daraufhin wurde die Beobachtung ab 15.15 Uhr am Wohnhaus in der Zelterstraße weitergeführt.
Um 18.00 Uhr wurden noch einmal die bekannten Adressen ohne Erfolg abgefahren. Als die Beobachtung ab 19.20 Uhr am Wohnhaus in der Zelterstraße weitergeführt wurde, parkte der Pkw von "Brauer" bereits vor dem Wohnhaus von "Bar". Bis 21.00 Uhr trat "Brauer" nicht mehr in Erscheinung.
Daraufhin wurde die Beobachtung auftragsgemäß abgebrochen.
stellv. Leiter der Abt. VIII Gützlaff, Hauptmann Referatsleiter Reißmann, Oberleutnent
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Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 16. Mai 1966
Eva H., Wolf B. und Herr Otto unterhalten sich über das Gewicht eines gesunden Menschen. Herr Otto gibt allgemeine Erklärungen wie man seinen Körper kräftigen kann. Wolf berichtet von seinen sportlichen Erfolgen in der Schulzeit. Für seine Leistungen bekam er eine Urkunde, unterzeichnet von Theodor Heuß. Heuß war zu der Zeit noch Bundespräsident. Wolf erkundigt sich bei Herrn Otto, ob unsere Sportler auch als Profis gelten. Herr ... müßte doch als Sportarzt über diese Dinge informiert sein. Nach Wolfs Meinung üben unsere Sportler bloß pro forma ihren Beruf aus. Herr Otto entgegnet, daß die Frage, ob Profi oder nicht Profi, nicht gestellt werden kann. Es gibt zumindest keinen reinen Profi in der DDR. Die Aufgaben eines Spitzensportlers lassen sich nicht mehr so lösen, ohne die Unterstützung des Staates oder Betriebes. Es gibt ja in der DDR eine sozialistische Sportbewegung, deren Aufgabe die Förderung des Sports ist.
Wolf interessiert sich für die Bezahlung der Sportler. Ihr Gehalt müßte doch relativ hoch sein. Herr Otto erklärt, wenn ein Sportler in einer großen Brigade arbeitet, so bekommt er den Durchschnitt des Brigadelohnes. Wolf entgegnet, "die" leben doch sehr gut. Wenn es ihnen nicht gut geht, würden sie die Republik verlassen. Herr Otto kennt keinen Leistungssportler, der aus finanziellen Gründen die Republik verriet. Es war meistens so, daß die Leute abhauten, denen es hier blendend ging. Herr Otto berichtet, daß der Rennfahrer Kisener auch in Westdeutschland blieb. Der Kisener hatte hier seinen Wagen, und er hatte die Möglichkeit, ein Studium zu beginnen. Wolf fragt nach den Gründen der Republikflucht. Ob es nur politische Uninteressiertheit ist. Herr Otto entgegnet, es ist bei manchen Sportler so, daß Politik und Sport zweierlei ist.
F.d.R.d.A. Schi....
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II/ Gen. Brosche Berlin, 25. Mai 1966
26/B 19/66 / 204 -Sch
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. Mai 1966
Eva und Wolf B. unterhalten sich über Chansons. Eva beschwert sich, daß Wolf sie keine Lieder mehr lehrt. (....) Eva möchte nur das spielen und singen, was ihr gefällt. Wolf tröstet sie, da einmal bessere Zeiten kommen werden. Wolf ist der Ansicht, daß Eva eine bessere Stimme hat als Joan Baez. Eva protestiert, da sie die Lieder deutsch singen müßte. Dabei verlieren sie viel an ihrer Wirkung. Wolf entgegnet, sie sollte es trotzdem einmal versuchen. Wenn man den festen Willen hat, so gelingt es einem auch.
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HA XX/1 Gen. Brosche
Berlin, 23. Mai 1966
26/ BA/ 19/ 66/185 -Wo
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 23. Mai 1966 (16.12 Uhr)
B i m b o erkundigt sich bei Frau H. nach dem Befinden. Es tut ihm leid, daß sie sich lange nicht gesehen haben, aber er hatte immer viel Arbeit. Heute abend ist er auch wieder in Magdeburg zu einer Veranstaltung. Frau H. bedauert dieses, da sie heute abend gerade Zeit hat. Sie ist heute allein, da W o l f sich in Dresden befindet. Bimbo kommt darauf zu sprechen daß sie sich am Sonnabend sehen. Er hat für diese Sache den Barbaré (o.ä.), diesen will er auch mitbringen. Frau H. wollte am Sonnabend auch noch ein Lied aus dem Film singen. Es ist aber ein langsames Arrangement und sie hoffte, daß sie da noch etwas daraus machen können. Dort können sie es nicht mehr umstellen, betont Bimbo, da sie in Neubrandenburg drei Vorstellungen am Tag haben. Frau H. ist es auch nicht möglich, heute noch bei Bimbo vorbeizukommen, da sie beim Friseur angemeldet ist. Frau H. spricht noch davon, daß sie am 30.05.66 einen Auftritt in Cottbus hat. Sie fährt dort allein hin. Bimbo wird sie dann vielleicht nach Cottbus fahren. Darüber wollen sie sich aber noch einmal unterhalten. Bimbo fragt noch, ob Frau H. einmal ein Angebot aus Rostock bekam. Frau H. verneint dieses. Er fragt nur danach, da er Frau H. dort gut empfohlen hatte.
F.d.R.d.A. Wolf
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HA XX/1, Gen. Paroch Berlin, 24. Mai 1966
26/BA 19/66/188-E
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 23. Mai 1966
Gegen 20:35 Uhr bittet (.....), daß EVA doch zu ihm kommen solle, er wäre so furchtbar alleine (....)
Eva erzählt, daß sie letztens mit Wolf in Markneukirchen war, dort habe sich Wolf eine neue Gitarre gekauft, dann eine Art Leier (Eva bezeichnet es genauer) und schließlich noch ein Instrument, das eine Art Vorläufer von der Zither ist.
Weiter erzählt Eva, daß sie vom polnischen Fernsehen eingeladen wurde, im Juni dort etwas zu machen. Sie müßte ein paar Lieder mitnehmen. Ob (......) keine Möglichkeit hätte, diese Lieder für sie einmal im Funk aufzunehmen. Sie verbleiben so, daß Eva noch zu ihm kommt sobald sie mit WOLF gesprochen hat, der sich z. Z. in Dresden aufhält (.........).
Später spricht EVA dann mit Wolf. Er fragt, ob er morgen kommen soll. In Dresden habe er sehr nette Leute. Eva schlägt vor, daß er noch in Dresden bleiben sollte.
Pfingsten wäre Eva ja auch nicht da, so daß Wolf dann alleine in Berlin wäre.
Wolf wird aber doch morgen in den Mittagsstunden kommen.
Eva erzählt ihm, daß sie heute noch zu Bekannten nach Johannisthal fahren wird.
Nach 22:35 Uhr wird das Radio ausgeschalten und Eva verläßt das Zimmer.
›Inge‹
(handschr. Vermerk: „Rundfunk prüfen lassen !“)
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HA XX/1 Gen. Brosche Berlin, 24. Mai 1966
26/BA/19/66/202-Wo
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 24. Mai 1966. 19:57 Uhr
(....) wird von Frau H. gefragt, ob ihm im Funk ausgerichtet wurde, daß sie heute dort angerufen hatte. (....) verneint dieses. Frau H. wollte von ihm wissen, wann er einmal Zeit hat, um mit ihr diese Playbakaufnahmen zu machen. Sie hat sich schon beim Fernsehfunk wegen eines Raumes erkundigt welcher ihr auch zugesagt wurde. Ihm ist es möglich, diese Sache in der Woche nach Pfingsten zu machen. Frau H. paßt es dann auch. Einen genauen Termin werden sie noch vereinbaren. (...) fragt, warum Frau H. gestern abend nicht mehr zu ihm gekommen ist. Sie hatte seine Telefonnummer nicht mehr. Auch hatte Wolf sehr spät erst bei ihr angerufen. Es wäre dann sowieso zu spät geworden. Sie wird ein ander Mal zu ihm kommen und dann einen ganzen Abend bleiben. (....) erwähnt, daß Frau H. noch zwei Bücher bei ihm zu liegen hat. Frau H. fragt noch, ob die Sache die sie damals mit der Hotmie (o. ä.) gemacht hatte zu bekommen ist. Sie würde es gern besitzen, da sie es damals nicht gehört hatte.
(.....) wird ihr diese Aufnahmen besorgen. Abschließend bestellt (......) noch einen schönen Gruß an Wolf.
F.d.R.d.A.
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HA XX/1 Gen. Brosche Berlin, 2. Juni 1966
26/BA/19/66/225-Wo
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 1. Juni 1966
14:45 Uhr
(.....) teilt der Frau H. die Anschrift von Hans Fetzke (o. ä.) mit. Hans F. ist unter der Telefonnummer 48 52 12 zu erreichen und in Pankow Zillertalerstr. 140 wohnhaft.
14:48 Uhr
Frau H. erkundigt sich bei Hans F., ob er es ermöglichen kann, heute im Funk eine Aufnahme mitzumachen. Frau H. benötigt diese Aufnahme für den polnischen Fernsehfunk. Herr F. wurde ihr von Herrn (....) empfohlen. Herr F. hat heute frei und wird diese Aufnahme mitmachen.
Frau Hagen braucht ihn nicht abzuholen, er kommt mit seinem eigenen Wagen zum Funk. Frau H. möchte aber bei der Wache Bescheid sagen. Frau H. stellt Herrn F. noch Wolf Biermann vor. Beide kennen sich schon und begrüßen sich erfreut. Wolf fragt, was (....) für ein Trottel ist, er hat der Eva versprochen, die Aufnahme mitzumachen und wollte jetzt eine Stunde vor Beginn die Sache verschieben. Eva war froh, daß sie die Sache in Warschau überhaupt bekommen hatte, da sie jetzt sowieso immer Schwierigkeiten hatte. Hans kann sich ja auch denken weshalb! Wolf erwähnt, er habe solche Sehnsucht danach, wieder einmal mit ihm (Hans) etwas zu machen. Auch er würde gern wieder einmal etwas machen, antwortet Hans. Es ist eine große Scheiße, daß er nicht auftreten darf, bemerkt Wolf. Er würde schon aus Spaß wieder einmal mit Hans etwas machen. Es war so schön, als sie einmal die Sachen eingeprobt hatten. Er hat nun wieder ganz neue und tolle Sachen gemacht, die auch musikalisch besser sind als früher, betont Wolf. Hans fragt, ob Wolf heute auch mit zum Funk kommt. Dieses ist ja nicht möglich, da er Hausverbot hat. Wenn er dort mit reingehen könnte, hätten sie (.....) gar nicht darum gebeten die Sache mitzumachen. Wolf ist froh, daß er nun die Telefonnummer von Hans weiß, und er würde sich mit ihm gern wieder einmal treffen. Hans schlägt vor, daß Wolf einmal bei ihm anrufen soll, sie können dann ein Zusammentreffen vereinbaren.
F.d.R.d.A.
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Berlin, 3. Juni 1966
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 3. Juni 1966
(13.02) Rolf Zimmermann erkundigt sich bei Eva H., ob sie es noch geschafft haben. Eva sagt, daß sie es noch geschafft haben. Sie haben es auch noch umgeschnitten. Sie hat es aber noch nicht wieder gehört. Eva bemerkt, daß sie paar Titel mehr genommen hat, damit sie mehr anbieten kann. Sie sollen sich dann aussuchen können, was ihnen gefällt. Rolf meint, wenn ihr nicht die Aufnahmen gefallen werden, dann werden sie sie noch einmal produzieren. Seine Unterstützung hat Eva dafür. Sie ist sehr erfreut darüber.
Eva erzählt, daß der Wolf mit nach Polen fahren wollte. Er war nun heute auf der Polizei. Die Polizei hat zu ihm gesagt, daß er nicht würdig ist, unser Land in Polen zu vertreten. Wolf hatte eine Einladung von einen Freund aus Polen bekommen. Er wollte privat nach Polen fahren. Er hatte nicht die Absicht dort aufzutreten. Eva fügt hinzu, daß sie nicht allein fahren wollte. Auf eine Frage sagt Eva, daß sie am 12. in Warschau auftritt. Sie hat mit denen einen richtigen Vertrag abgeschlossen.
Ihr ist aber nicht bekannt, in welchem Rahmen sie dort auftreten soll.
Sie hat die ganze Sache durch die Künstleragentur vermittelt bekommen.
Eva erzählt, daß sie am 11. einen Auftritt in Cottbus hat, fährt dann anschließend von Frankfurt/Oder mit dem Zug nach Warschau. Rolf meint zu Eva, daß Cottbus ihr zweites zu Hause ist. Eva bestätigt das lachend. Die Konzert- und Gastspieldirektion möchte Eva im Moment in jedes Programm mit einbauen. Sie hat dort viele treue Anhänger. Auf eine Frage sagt Eva, daß sie nicht im Offizierskasino auftritt. Sie tritt auf einer Freilichtbühne auf. Sie singt u.a. Lieder aus dem Film "Reise ins Ehebett". Rolf bemerkt zu Eva, wenn sie ein Angebot bekommt, im Offizierskasino aufzutreten, dann soll sie das annehmen. Dort ist es immer ganz dufte. Dort können sie (wir) auch ihre "scharfen Sachen" abziehen.
Rolf erkundigt sich, ob Eva die Polin Christine K....... (o. ä.) kennt. Sie will von Rolf einige Titel haben. Eva kennt diese Dame nicht näher. Rolf erwähnt, daß die öfters in Österreich und überall auftritt. Eva meint darauf, daß die Polen überall hinfahren können.
Rolf erzählt, daß einer aus dem Club eine offizielle Einladung vom Sport aus Westberlin erhalten hat.
Der versucht aber erst gar nicht "rüber" zu fahren. Rolf hat ihn aber aufgefordert, es doch zu versuchen.
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Berlin, 7. Juni 1966
26/B 19/66/233 -E
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 3. Mai 1966
Eva, Wolf und Dieter beraten über eine Arbeitsmöglichkeit für Dieter. Es macht den Eindruck, daß Dieter eigens aus diesem Grund den Besuch bei Wolf gemacht hat. Als Dieter dann zusammenfassend noch einmal fragt, wie das nun wäre, meint Wolf, daß es schwer sei. Z. B. habe Wolf selbst eine ganz andere Produktionsweise, er könne sich auf das Clo setzen und auf Clopapier dichten, Dieter dagegen sei ein Mensch, der immerhin eine Funktion in einem festen Gefüge haben müsse, um produktiv wirken zu können.
Darüber wird noch eine ganze Zeit diskutiert, um Dieter zu überzeugen.
Auf Dieter`s Frage, wie lange das bei Wolf noch so gehen soll, meint Eva, "10 Jahre nicht". Wolf ergänzt, daß sie dann auf die Höfe gingen. Damit fängt Wolf an, laut zu singen und betont, daß er ohne Musik ohne alles ginge. Eva fügt lachend hinzu, daß Menschen (oder eine bestimmte Person) mit einem Affen und einem Leierkasten durch die Höfe gingen. Dazu erklärt Dieter, daß solche Leute bei ihnen sofort einkassiert würden. Da Eva wiederholt, daß solche Leute noch durch die Höfe kommen, betont Dieter noch einmal, daß solche Leute bei ihnen sofort wegen öffentlichen Ärgernisses usw. sofort geholt würden. Dann entwickelt sich folgendes Gespräch:
Dieter: Wann rufst du mein Täubchen an? - 3/4 2. Wolf: Morgen oder übermorgen.
Da es morgen nicht klappt (einer von beiden ist nicht da), verbleiben sie bei übermorgen.
Dieter: Also übermorgen.
Wolf: In der Arbeitszeit, na ja, ich muß sehen.
Nach einigen Beratungen mit Eva, wie dieser Tag eingeteilt ist sagt
Dieter: Also übermorgen. Gib dir Mühe und reiß`dich zusammen, - wenn was da ist.
Eva: Na ja. Ich sehe da keine Möglichkeit
Dieter: Ich eigentlich auch keine.
Wolf: (Nach einer Gesprächspause) - Wie wäre es denn, wenn du bei der Staatssicherheit -
Dieter: Bei der Staatssicherheit ?
Wolf: ... mit dem eigenen Wagen und zwar mit dem Sonderauftrag, mich zu überwachen.
Dieter: Ach, du meinst wohl das mit den Zeitungsartikeln, was? (er spricht das lachend)
Wolf: Was? Ach, ich überlege gerade ... (beide reden durcheinander) kann es ... bin auch disponiert ... sagst, von erfüllter Mission zurück, bin auch disponiert, es ist etwas faul, weil du dich bei mir eingeschlichen hast ...
Eva: Vielleicht stimmt es sogar (sie kichert über ihre eigenen Worte)
Wolf: ... deine politischen Fähigkeiten ...
Dieter: Du meinst, das sieht gerade so aus, wie mit dem Zeitungsartikel, den du da empfohlen hast.
Wolf: Naja, es ist ein Blutstropfen für die Ellen Voigt (o. ä.) ... es ist nichts zu retten, weil du keine konsequente Haltung einnimmst ... Als er dort an der Zeitung war, hätte er Dinge (o. ä.) aufreißen können, versteht du? indem er für die ... geschrieben hätte -
Dieter: Nein. Da war ich ... daß man damit hausieren gehen könnte.
Beide Herren diskutieren dann darüber, ob ein Artikel kurz vor oder unmittelbar nach dem 11. Plenum erschienen ist.
Wolf: Da wäre er wieder an den Ball gekommen.
Dieter: Ja. Ich war aber gar nicht daran interessiert, daß ... Verbindung da publik werden könnte.
Wolf: Wieso denn. Sind sie sowieso - die Scheiße hatten sie sowieso (3. Personen sind gemeint), aber er hätte schreiben können, ich -
Eva unterbricht Wolf mit den Worten, was ihm einfalle, was er für Ratschläge gebe, worauf Wolf zurückfragt "Na, was denn?"
Dieter: Na gut, ich meine insofern ist die Sache logisch, das Ding hätte mich sowieso nichts gekostet.
Dann reden wieder alle zur gleichen Zeit. Es geht um eine 3. Person. Dieter erwähnt dabei das "Neue Deutschland" und Wolf spricht wörtlich: "... daß die Tränendrüsen rollen von Robert. Robert, wenn du noch einen ehrlichen Gedanken hättest mit Wolf, ich beschwöre dich, so ... Verstehst du?"
Weiter meint Wolf wörtlich: "Aber er wäre wieder mal ein Stückchen am Ball gewesen.".
Eva macht hierzu Bermerkungen und spricht mit Dieter. Dazu meint Wolf: "Ja, weil du immer wieder Rückfälle hast". Da Eva dazu lacht, es offenbar nicht versteht, was Wolf meint, erklärt dieser: "Natürlich, als er damals anfing am "Neuen Tag", da kam er bei mir freudestrahlend an und erklärte mir, daß er bereit ist, jede Scheiße - jetzt müßte man um hochzukommen er hat mir ja ....
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11 806 / 85 , Bd.8 Berlin, 13. JUNI 1966
Tonbandabschrift
Bericht vom 10. 6. 1966, GI »Davis«
Das Zusammentreffen mit Biermann war vor ca. 8 Wochen.
Ich bin nicht dahin gegangen, um mit ihm zusammenzutreffen, sondern mit der Hagen, die zu einer Veranstaltung einzuladen. Biermann wohnt dort seit längerer Zeit und scheint immer zugegen zu sein, wenn Besuch da ist. Scheinbar ist immer solcher Besuch da, dem er sich stellen kann.
Zum Charakter dieser Verbindung:
Biermann schätzt mich als Genossen ein, als treuen Vertreter dieses Staates anzunehmenderweise, so daß zunächst ein etwas mißtrauisches Verhältnis zu mir bestand, das aber im verlaufe der Diskussion zu einem freundschaftlicheren wurde, obwohl ihm einiges gesagt wurde zu seinen Liedern usw., das er in keiner Weise einsieht.
Anwesend waren nur noch Klaus H., das ist ein Student der Medizin in Berlin, mir bekannt von Jena her, der mit mir zusammen singt und aus dem gleichen Grunde dort mit war.
Die Eva-Maria Hagen war die meiste Zeit nicht anwesend.
Zur Ideologischen Haltung:
Die ist in keiner Weise anders, als die welche er in seinen Gedichten einnimmt und die mir bekannt sind, er hat sich nicht geändert, er vertritt sämtliche seiner Gedichte und ist nicht bereit, auch nur eins als nicht mehr zutreffend zu betrachten.
Seine politische Linie, die er vertritt, von einem dritten Weg kann ich sofern nicht sprechen, als wir uns so eingehend nicht unterhalten haben, natürlich ist er nicht mit der Linie unserer Partei und unseres Staates einverstanden die Stellung zur Literatur betreffend. Zu einzelnen Funktionären ist nur vom Paul Verner gesprochen worden, den er also als einen ausgesprochenen Stalinisten ansieht und einige andere mehr auch als Stalinisten bezeichnet. Namen wurden dabei nicht genannt. Er ist sehr böse darüber, daß gerade diese Stalinisten ihm, aus dessen Familie 30 Mitglieder in der Nazi-Zeit umgekommen sind, daß diese Stalinisten ihm Vorwürfe machen, daß er unzuverlässig wäre, so daß die Haltung zu den Maßnahmen, die sich gegen ihn richten, eine ausgesprochene bösartige und sehr hassende ist. Er sieht das also als eine ausgesprochene Progromhetze an, was im ND passierte. Er weiß z. B., daß mindestens 1000 Briefe für ihn dort eingegangen sind, daß nicht einer veröffentlicht worden ist, daß man ihm keinerlei Möglichkeit gegeben hat zu antworten auf Vorwürfe gegen ihn. Es gab keine Möglichkeit, er durfte in keiner Weise öffentlich Stellung nehmen dazu und erst recht nicht im ND. Darüber ist er sehr erbost und er hat gesagt, daß ist ein kurzer Schritt oder ein leichtes von dieser Progromhetze noch dazu überzugehen ihn persönlich vielleicht angreifen zu lassen oder anspucken zu lassen auf der Straße oder sonst was.
Zur politischen Haltung wäre noch zu sagen, daß er nicht einsieht, daß man einige Dinge, die er schreibt, heute und jetzt nicht machen kann, sondern von mir aus in 10 oder 20 Jahren, was ich ihm gesagt habe, sondern im Gegenteil, er ist der Meinung, daß unsere Demokratie so weitreichend sein müßte, daß diese Dinge gerade auch jetzt gesagt werden könnten, selbst wenn Westdeutschland daneben liegt und selbst, wenn es einen Teil von Leuten gibt, die in ihm einen ganz anderen sehen, als er vorgibt zu sein. Er glaubt ein ausgesprochener Kommunist zu sein und streitet einigen anderen, die bei uns führend sind, ab und ist der Meinung, daß die Leute, die hinter ihm stehen, deshalb hinter ihm stehen, weil er doch ab und zu mal verboten war oder sonst keine Möglichkeit hatte aufzutreten. Das spricht sich herum. In Berlin gibt es eine ganze Reihe von Studenten und jungen Intellektuellen, denen es eine Ehre ist schon seit Jahren Biermann-Bänder zu haben, schon seit aller Zeit, wo noch keine öffentliche Meinung zu ihm und seinen Liedern bestand und meine Entgegnung, daß hinter seiner Sache sehr viele Leute stehen aus ganz anderen Gründen als er es haben will. Ich meine, daß sich Leute hinter ihn hängen, die wahrlich nicht für uns sind und die in ihm einen ganz anderen sehen als er vorgibt zu sein. Das sieht er auf keinen Fall ein, sondern er ist der Meinung, daß diese Leute hinter ihm stehen, wie schon gesagt, weil man gegen ihn ist ganz offiziell bei uns.
Er hat z. B. geäußert, "diese Idioten, würden sie mir den Nationalpreis gegeben haben oder ähnliches, dann wären schon alle die Leute weggefallen, in dem sie sehen, daß sich unsere Partei mit mir und meinem Streben zumindest in vielen Dingen identifiziert, dann wären diese Leute, die aus ganz anderen Gründen hinter mir hängen schon mal weggefallen".
Anwesend waren weiterhin wie gesagt der Kl. H., der sehr wenig dort gesagt hat, hinterher allerdings mit mir unterhalten hat und mir auch da immer zugestimmt hat, wo ich der Meinung gewesen bin, daß er das im Moment nicht machen kann, was er tut und auch der Meinung ist, daß viele Leute hinter ihm stehen, eben, weil sie sich mit ihm identifizieren auf Grund dessen, daß man glaubt, er sei auf einer ganz anderen Seite und er ist auch der Meinung, daß hier Biermann das völlig falsch sieht, wenn er das nicht glaubt.
Zu dem Kl. H.:
Er ist mir bekannt seit ca. 10 Jahren aus der Studienzeit in Jena. Er studiert z. Z. an der HU Medizin, war zufällig dort mit, weil er mit zu der Gesangsgruppe gehört - also einmalig dort - und ist ein Mensch, der nicht in allen Dingen zu uns steht, der sehr kritisch ist, insofern je positiver seine Einstellung zu Biermann, die also nicht für Biermann und seiner Haltung sprach als ich mich mit ihm unterhalten habe. Er ist parteilos, hat Armeedienst hinter sich, ist als Sportler wohl bei Dynamo gewesen sehr lange Zeit und hat sein Abitur dann nachgeholt und dann erst Medizin studiert und ist auch älter als ein normaler Student, meines Wissens so 28 oder 29 Jahre. Das Interesse mit Biermann, wiederum zusammenzukommen, um zu diskutieren, ist natürlich bei ihm vorhanden. Dieses habe ich jedoch gesagt, daß es auch bei mir vorhanden ist. Dies hat er nicht im Beisein von Biermann zu mir gesagt.
Zu den Plänen, die er hat, kann ich kaum was sagen, außer daß er in Westdeutschland nicht veröffentlichen will. Ich hab ihn danach gefragt und er sagte, er hat kein Interesse daran zur Zeit in Westdeutschland zu veröffentlichen auf Grund der Schwierigkeiten, die ihm seine ›Drahtharfe‹ gemacht hat. Er arbeitet natürlich. Er arbeitet an ›Deutschland - ein Wintermärchen‹, wovon ich noch nichts kenne, das weiß ich nur von der Eva-Maria Hagen, sie erwähnte das. Aber er schreibt viele Lieder, scheint sehr produktiv zu sein trotz allem. Trotz allem meine ich, daß er doch sehr niedergedrückt ist. Er fragt mich ganz ehrlich, wann werde ich jemals wieder ein Lied öffentlich singen können und scheint sehr sehr niedergeschlagen zu sein darüber, daß er es nicht kann. Aber er ist schöpferisch, hat 3 Lieder vorgetragen (...) Es sind in der Tendenz Lieder, die sich nicht von vorhergehenden unterscheiden und daß haben wir ihm gesagt, daß es nicht möglich ist, sich zumindest keiner finden wird, die Lieder zu veröffentlichen, daß man das nicht machen kann zur Zeit. Darauf seine bereits geäußerte Meinung, daß er das nicht glaubt, daß es so ist.
Wovon er lebt weiß ich nicht, möglicherweise von dem durchgebrachten der Hagen.
Zu seinen Verbindungen kann ich nichts sagen. Er spricht allerdings von uns, d.h. es muß noch mehrere Leute geben, mit denen er sich sehr verbunden fühlt. Er sagte in diesem Zusammenhang, ›ausgerechnet diese Stalinisten müssen uns diese Vorwürfe machen.‹ Das sind also mehrere.
Die Unterhaltung fand in den Abendstunden statt und dauerte ca. 3 Stunden an.
Meine Haltung zu seinem Problem:
Alle diese Dinge, die gegen ihn und seine Meinung gesprochen haben, die sind zum größten Teil schon gesagt. Ich hab ihn aber in vielen zugestimmt, z. B. wenn er sagte, daß er verhaftet worden ist und dann wieder freigelassen werden mußte auf Grund des Vetos der Esche und Krug und alle diese Dinge, da mußte ich ihm natürlich zustimmen oder als ihm im Funk bei einer Produktion mit Neef zusammen Denndorf untersagt hat die Produktion fortzusetzen, er zum Prof. Eisler gegangen ist und die Produktion auf Grund der Anordnung des Prof. Eisler fortgesetzt werden mußte. Solche Dinge hätten nicht passieren dürfen. In solchen Dingen mußte ich ihm zustimmen.
Diese meine Zustimmung wird dazu beigetragen haben, daß er überhaupt einigermaßen Vertrauen zu mir gefunden hat, um sich überhaupt mit mir über die Dinge zu unterhalten. Ich habe also nicht alles pauschal in Bausch und Bogen verbannt, sondern einiges anerkennen müssen, selbst in seinen Gedichten, welches mir im Moment nicht mehr geläufig ist.
(....}
Zur Perspektive dieser Verbindung, ich glaube wohl, daß Biermann mir einiger Maßen freundlich gesonnen ist, möglicherweise aus dem Grund, weil er doch etwas unter Einsamkeit lebt und sich freut, mit irgendwem zusammenzukommen, sich zu unterhalten, mehr noch, seine Lieder vorzustellen. Er hat mich durchaus um meine Einschätzung dieser Lieder, vor allem auch in musikalischer Hinsicht gefragt und weil er mich in dieser Hinsicht schätzt und ich wiederum von der Eva-Maria Hagen weiß und sie mich sehr schätzt, glaube ich, daß die Verbindung beibehalten werden kann und daß ich jederzeit mich dort sehen lassen kann, um mich mit ihm zu unterhalten. Das ist also so, daß ich von beiden des öfteren eingeladen worden bin, vorbeizukommen.
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HA XX/7 Gen Brosche Berlin,
15. Juni 1966
26/ BA 19/66/ 250-Fin
Vertrauliche Dienstsache !
Informationsbericht
Auszug aus einem GI-Bericht vom 14. Juni 1966
(17.28)
Wolf B. unterhält sich mit Sybille. Er erzählt ihr, daß Jonas gestern Geburtstag hatte. Er hat für Jonas noch ein paar schöne Schuhe gekauft. Wolf fragt S.... ob sie (ihr) mit ihm bei Jonas vorbeifahren möchten, um ihm die Schuhe zu geben. S..... meint, daß sie (wir) damit einverstanden sind. Sie vereinbaren, daß Wolf sie in einer halben Stunde abholt.
(22.05)
Wolf begrüßt Eva H. herzlich. Er sagt ihr, daß er große Sehnsucht nach ihr hat. Sie möchte doch bald wieder zu ihm kommen. Eva ist erfreut darüber. Sie bittet Wolf, sie morgen 08.00 Uhr vom Ostbahnhof abzuholen. Wolf ist damit einverstanden. Er meint zu Eva, daß er sehr neidisch ist, nicht bei ihr zu sein. Wolf bedankt sich für ihren lieben Brief. Auf seine Frage sagt Eva, daß sie Erfolg hatte. Sie hat auch an Wolf gedacht. Wolf bittet Eva, daß sie ruhig fährt und daß sie an ihn denkt. Er sagt ihr, daß er sie lieb hat.
Wolf unterhält sich mit einem Herrn. Der Herr sagt, daß er schon viel von Wolf Biermann gelesen hat. Wolf ist sehr erfreut darüber. Der Herr erwähnt, daß Wolfs (ihre) Frau morgen gesund und strahlend in Berlin ankommen wird. Er bittet Wolf, sich morgen auf dem Bahnhof festzuhalten damit er nicht ohnmächtig wird. Eva bringt ein kleines Geschenk mit. Der Herr bestellt schöne Grüße aus Warschau.
Eva teilt Wolf unter Lachen mit, daß sie einen kleinen Hund gekauft hat. Sie fand den Hund so süß und niedlich. Wolf spricht seine Verwunderung aus, daß Eva den Hund gekauft hat. Eva meint darauf, daß sie in Warschau bleiben wird, wenn er den kleinen Hund nicht sehen mag. Wolf bittet Eva zu kommen, seinetwegen auch mit dem Hund. Hauptsache ist, sie kommt. Wolf bestellt Grüße an alle.
(22.38)
Wolf erkundigt sich bei der Zugauskunft, wann morgen ein Zug aus Warschau eintrifft. Die Zugauskunft teilt ihm mit, daß der Zug aus Warschau 08.21 Uhr in Berlin Ostbahnhof ankommt. F.d.R.d.A.: F ....
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Ministerrat
der Deutschen Demokratischen Republik Berlin, den 17. Juni 1966
Ministerium für Staatssicherheit Lo/He
Hauptabteilung XX Tgb. Nr. XX/1/II/__/66
BV für Staatssicherheit Cottbus
Abteilung XX
Cottbus
Schauspielerin Eva-Maria Hagen
Obengenannte befand sich am 11.6.1966 in Cottbus zu einer Veranstaltung auf der Freilichtbühne. Sie wurde durch die Konzert- und Gastspieldirektion vermittelt.
Inoffiziellen Hinweisen zufolge unterhält die Hagen guten Kontakt zu den Mitarbeitern der dortigen Konzert- und Gastspieldirektion, die an weiteren Auftritten der Hagen u. a. im Cottbuser Offizierscasino interessiert sind.
Die Hagen ist Anhängerin des Lyrikers Wolf Biermann und versucht, teilweise dessen hetzerischen Lieder und Gedichte anonym unter der Öffentlichkeit zu verbreiten. Nach ihrer Meinung würde sich dafür der Zuhörerkreis des Offizierskasino stark interessieren.
Wir bitten Sie aus Gründen der Sicherheit zu veranlassen, daß die Hagen keine Auftrittsmöglichkeiten in Objekten der NVA erhält. Bei weiteren geplanten Auftritten durch die Konzert- und Gastspieldirektion Cottbus bitten wir Sie zu veranlassen, daß die H. unter operativer Kontrolle gehalten wird. Es wird gebeten, die HA XX/1/II zu verständigen, wenn die Vorträge der Hagen undurchsichtigen bzw. feindlichen Inhalt tragen.
stellv. Leiter der HA XX
Stange Oberstltn.
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Abschrift: Halle, den 4.7.1966
Betr.: Pressefest 25./26. Juni 1966
Im Rahmen der Veranstaltungen trat Eva-Maria H a g e n an Bühne 3 auf. Sie befand sich in Begleitung von Wolf B i e r m a n n. B. fuhr sie zur Bühne und verließ sofort das Gelände der Bühne 3.
Mir ist nicht bekannt, ob er sich mit jemanden in ein Gespräch eingelassen hat. Biermann und Hagen sind offensichtlich liiert. Frau Hagen hatte anschließend am 26. 6. 1966 gegen 22.00 Uhr, noch einen Auftritt an der Bezirksparteischule in Ballenstedt. Sie wurde dahin mit einem PKW der KGD (ohne Biermann) gefahren. Sie hatte Quartier im Interhotel Stadt Halle bis 30. 6. früh, da sie noch in Eisleben eingesetzt war.
Zum Aufenthalt Biermanns erklärte Fred Frohberg, daß die Hagen in seiner Achtung gestiegen ist, da sie die einzigste sei, die nach dem 11. Plenum zu Biermann halte und ihn unterstütze.
Halle, den 30. 6. 1966 gez."Straube"
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Hauptabteilung XX/1/II Berlin, 16. Juli 1966
I n f o r m a t i o n
über Prof. H a m m e r, Jean-Pierr geb. am .... wh. ....
beschäftigt als Leiter des germanistischen Instituts der Universität Madagaska
Prof. Hammer studierte Germanistik und leitet gegenwärtig als Prof. mit Lehrauftrag das germanistische Institut der Universität Madagaskar. Er befand sich mehrmals zu Studienaufenthalten in der DDR und in der Hauptstadt Berlin.
Diese waren vom
12. 4. - 26. 4. 1962 und
1. 7. - 5. 8. 1963
in Jena und Weimar, auf Einladung der dortigen Universitäten, wo er Vorträge über den Dichter des österreichischen N. Lenan hielt.
In der Zeit vom 25. 6. - 20. 7. 1965
weilte Prof Hammer auf Einladung des Staatssekretariats für Hochschulwesen zu Studienzwecken in Berlin, Greifswald und Rostock. Auf Einladung der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin befand sich Prof. Hammer
vom 29. 6. - 4. 7.1 966
abermals in der Hauptstadt der DDR, wobei vom Antragsteller als Zweck der Reise
"Bibliothekstudium und wissenschaftliche Besprechungen" im Institut für Deutsche Sprache und Literatur der DAW zu Berlin
angegeben war.
Eine Überprüfung bei der ASR verlief negativ, da den Tagesaufenthaltsgenehmigungen lediglich der Name und das Land der betreffenden Person zu entnehmen ist und am 1.7.1966 95 französische Staatsbürger die Hauptstadt der DDR besuchten.
Bereits vor dem Besuch des Brecht-Archivs vereinbarte Wolf BIERMANN mit Prof. HAMMER eine Zusammenkunft in der Wohnung der Schauspielerin
Eva-Maria HAGEN,
wozu er die französischen Studenten eingeladen hatte.
In der Unterhaltung mit Prof. Hammer und den Studenten am 1.7.66, die von 17.00 - 20.00 Uhr andauerte, wurde über die politische Lage nach dem 11. Plenum des ZK der SED gesprochen, wobei BIERMANN in seinen negativen Äußerungen gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR durch Prof. HAMMER Unterstützung fand.
Über die Einberufung des 11. Plenums berichtet BIERMANN unwahre vom Klassengegner hereingetragene Gerüchte, indem er zum Ausdruck brachte, daß die ursprüngliche Durchführung angeblich wirtschaftlichen Problemen gelten sollte. Nachdem sich jedoch ein höherer Wirtschaftsfunktionär das Leben genommen hatte, wäre das Plenum zu einem "Kulturplenum" umgruppiert worden.
BIERMANN verstand es gut sich ins rechte Licht zu setzen und berichtete mit Stolz über die im "Neuen Deutschland" veröffentlichten Kritiken bezüglich seiner gegen den Staat gerichteten Lieder und Gedichte.
Das Positivum der veröffentlichten Kritiken in der Presse bestand nach Meinung BIERMANNS darin, daß er schlagartig berühmt geworden ist, und zwar nicht nur bei den Intellektuellen, die hätten ihn sowieso schon gekannt, sondern auch bei den einfachen Leuten. Die Gedichte aus der "Drahtharfe" wären verbreitet wie noch nie in Deutschland und im Ausland. Die Auflagen würden zur Zeit 30.000 betragen. Deshalb war es für ihn auch eine Selbstverständlichkeit, die nach dem 11. Plenum geschaffenen Lieder und Gedichte den Studenten vorzutragen, welche eigens zum Mitnehmen auf Tonband aufgenommen wurden.
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Ministerrat
der Deutschen Demokratischen Republik
Ministerium für Staatssicherheit
Hauptabteilung XX Berlin, den 23. 9. 1966
Lo/Ru
Tgb.Nr. XX/1/II/11223/66
BV für Staatssicherheit Dresden
Abteilung XX
D r e s d e n
Konzert- und Gastspieldierektion Dresden
Durch inoffizielle Hinweise wurde bekannt, daß die Konzert- und Gastspieldirektion Dresden einen Vertrag mit der Schauspielerin
Eva-Maria HAGEN
über einen Auftritt am 8.10.1966 zu der Betriebsveranstaltung der "Brillen-PGH" abgeschlossen hat.
Die HAGEN soll dort Chansons singen.
Auf Grund vorliegender Informationen besteht die Möglichkeit, daß die HAGEN zu dieser Veranstaltung unerwünschte Lieder und Gedichte von dem Lyriker Wolf BIERMANN vorträgt.
Wir bitten Sie zu veranlassen, daß die Darbietungen der HAGEN konspirativ überwacht, die Titel und der wörtliche bzw. sinngemäße Text festgehalten und uns übermittelt werden.
Weiterhin bitten wir festzustellen, ob sich BIERMANN in Begleitung der HAGEN befindet, wo sie Quartier nehmen und mit welchen Personen Kontakt hergestellt bzw. gepflegt wird.
Stellv.Leiter der HA XX
Stange
Oberstleutnant
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Abteilung XX Halle, den 20.10.1966
Premierenveranstaltung im Landestheater Dessau am 17. Oktober 1966 unter Teilnahme der Schauspielerin Eva-Maria H a g e n und dem Schriftsteller Wolf B i e r m a n n
Auf Grund der operativen Hinweise, daß der Lyriker Biermann die Schauspielerin Eva-Maria Hagen zu einer Operettenpremiere am 17. Oktober in Dessau begleiten soll, wurden Maßnahmen eingeleitet, um das Auftreten dieser beiden Personen nach operativen Gesichtspunkten einschätzen zu können.
Es wurde der GI "Franz" und eine Kontaktperson eingesetzt.
Zusammenfassung der wesentlichen Hinweise:
Bereits einige Tage vor der Premiere wurde durch eine Kontaktperson seitens der Abt. Kultur des Rates des Bezirkes Halle eine Beratung mit verantwortlichen Funktionären der Kreisleitung und des Rates der Stadt zu diesen Fragen durchgeführt.
Im Ergebnis dieser Beratung wurden Maßnahmen festgelegt, wie
- Orientierungsgepräch mit allen Genossen, die in der Aufführung mitwirken,
- Beratung mit den künstlerischen Vorständen des Landestheaters Dessau, einschließlich desI ntendanten,
um etwaigen Zwischenfällen vorzubeugen.
Desweiteren wurde der abgeschlossene Vertrag überprüft. Es handelte sich hier um eine normale Arbeitsvereinbarung über Zeit und Dauer des Auftritts (bzw. Gastspiels) und Höhe des Honorars.
Im Vertrag sind keinerlei Klauseln oder Zusätze enthalten.
Die Premiere wurde mit großen Beifall aufgenommen. Weitere Veranstaltungen sind für die nächste Zeit bereits ausverkauft.
Es bestätigte sich, daß Biermann an der Premiere, als auch an der nachfolgenden Premierenfeier, die übrigens für Jedermann zugänglich war, teilnahm.
Ort dieser Feier war der Erfrischungsraum des Theaters. Es waren ca. 90 Personen anwesend.
Konzentrationen bestimmter Kreise, wie Jugendliche oder kirchlich eingestellter Personen, waren nicht vorhanden.
Von bekannten Künstlern waren anwesend Gerry Wolf, Eva-Maria H a g e n, der Regisseur Bejach, Peter, der musikalische Leiter Schmorl, Wolfgang und der Schauspieler Woronetzki, Alfred .
Besondere Vorkommnisse bzw. Zwischenfälle wurden nicht festgestellt.
B i e r m a n n und H a g e n waren während der Premierenfeier in Gesellschaft des Intendanten Willy Bodenstein mit Frau, des musikalischen Leiters Schmorl mit Frau und des Schauspielers ..... mit Frau.
Ferner weilte auch die Mutter von Biermann mit am Tisch des vorgenannten Personenkreises.
B i e r m a n n verhielt sich während der gesamten Zeit reserviert. Alkoholische Getränke wurden von Beiden gemieden.
Es wurde festgestellt, daß Biermann lediglich mit 2 Personen ein Gespräch führte, welches aber von den Gesprächspartnern Biermanns selbst herbeigeführt wurde.
Dabei handelte es sich um den Lehrer ..... und um den Schauspieler ..... .
Der Lehrer bemühte sich um eine Widmung Biermanns in sein Programmheft. Biermann habe zu dem Lehrer, als es sich mit ihm bekannt machte, geäußert: "Sie wollen mit mir sprechen?" "Handeln Sie sich mal keine Unannehmlichkeiten ein."
Auf das Programm schrieb Biermann einen Dreizeiler (wörtlich)
"Grabinschrift eines amerikanischen Soldaten
Als Schlächter ausgesandt,
als Schlachtvieh verwendet." Biermann 1966
Wie bekannt wurde, hat sich der Biermann dem Lehrer gegenüber nur im positiv zu wertenden Sinne geäußert.
Unliebsame Diskussionen oder andere Zwischenfälle traten im gesamten Verlauf nicht auf.
Gegen 01.40 Uhr wurde die Premierenfeier von Biermann und der Hagen verlassen.
Nachbemerkung:
Die Hagen hat am 5.10.1966 im Rahmen eines Festprogramms zum Jahrestag der DDR im Klubhaus der Leuna-Werke mitgewirkt.
Auch hier erschien sie in Begleitung Biermanns. Sie brachte 2 Beiträge von Brecht im Rahmen dieses Festprogramms. Auch hier kam es zu keinen besonderen Vorkommnissen.
Es war festzustellen, daß Biermann während seines Aufenthaltes in Leuna von den dort Anwesenden nicht weiter beachtet wurde.
Gen.: .... Be.... -Ltn.-
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XX/E/2634 XX/1/3934 18:00
vfs hle -501 -18.11.66 -1645 -ke +
an mfs berlin
abt. ha roem. zwanzig, gen. oberstltn. stange
eulenspiegelrevue im steintor-variete halle
in der zeit vom 5. - 15.11.1966 lief im rahmen der konzert- und gastspieldirektion im steintorvariete ein vom mitarbeiter der zeitschrift "eulenspiegel" kurt zimmermann zusammengestelltes programm unter dem titel "steintor-eule".
im letzten bild dieses programms im sogenannten klamann-atelier war das auftreten der schauspielerin e-m. h. vorgesehen. der von ihr vorzutragende text, wie auch ihr lieder-repertoire waren seitens der regieleitung festgelegt und ermoeglichten kein abweichen.
die h. hatte waehrend der zeit ihres aufenthaltes in halle im "interhotel" quartier genommen.
in der ersten zeit war die h. stets ohne ihren staendigen begleiter b. in halle und sie fuhr auch taeglich zu filmaufnahmen nach berlin.
nach bisher vorliegenden informationen weilte b. nur am 10.1.1966 im steintor.
die h. war, da ihr auftritt erst im letzten teil des programms vorgesehen ist, zumeist nicht den ganzen abend im steintor zugegen.
das gesamte programm der "steintoreule"laeuft ab 15.11.1966 fuer 14 tage in dresden.
ausfuehrlicher bericht ueber das auftreten der h. und des b. in halle wird nachgereicht.
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Im Beisein der Hagen entwickelte sich zwischen Biermann und mir das folgende Gespräch:
Am 10.11. von 23.30 - 3.00 Uhr
G = Graf, B = Biermann, H = Hagen
G.: Ich würde mich freuen, wenn wir uns, so lange ihre Frau hier in Halle auftritt, öfter sehen könnten.
B.: Das wird kaum möglich sein, ich habe hier keine richtige Unterkunft, wo ich am Tage ungestört schreiben kann.
G.: Na, dann ruhen sie sich mal aus.
B.: Oh, nein, jeder Tag muß genutzt werden und ich schreibe zur Zeit sehr viel und konzentriert.
G.: Liebeslyrik?
B.: Das zwar auch, aber verhältnismäßig wenig.
H.: Haben sie ihn nie gehört? Dann würden sie den Inhalt seiner Lieder kennen.
G.: Ich könnte mir vorstellen, daß die schöpferische Kraft etwas gelähmt ist bei dem Gedanken, daß nichts gedruckt wird.
B.: Dann muß ich eben schreiben, was in 10 Jahren noch volle Gültigkeit hat und im übrigen macht es mich doch froh zu wissen, daß die Zahl meiner Freunde ziemlich groß ist.
G.: Aber der umstrittene Gedichtband ist doch meines Wissens in einem Westverlag erschienen und hier gar nicht, oder nur auszugsweise bekannt.
B.: Dieser Lyrikband hat die höchste Auflageziffer, die je eine solche Gedichtssammlung - selbst in den zwanzig Jahren - erreicht hat. 30 000 Stück. 8 - 10 Tausend sind in der DDR, wurden weitergeschickt, abgeschrieben.
G.: Ich nehme an, daß ihre Verehrer in erster Linie in den Kreisen intellektueller Künstler in Berlin zu suchen sind.
B.: Das ist wahr, aber auch bei den Arbeitern. Die wurden erst hellhörig, als die Kampagne in den Zeitungen gegen mich begann und interessierten sich für meine Lyrik. Vorher wäre ich niemals so populär geworden. Damals wirkte ich in einem Film mit. Ulrich Thein drehte im Zwickauer Kohlerevier einen Film mit Kumpels. Ich sang als Biermann meine Lieder. "Wenn Du Schwierigkeiten hast, dann komm zu uns. Wir stehen für Dich" sagten sie. Ich wurde rausgeschnitten aus dem Streifen.
B.: Natürlich stimmt es mich traurig, daß ich nicht mehr auf der Bühne stehen kann und meine Lieder selbst vortrage.
G.: Frau H., sind die französichen Liebeslieder Übersetzungen ihres Mannes?
H.: Nein, und ich singe auch keine Lieder von ihm.
G.: Verzeihen sie mir, daß ich keines ihrer Lieder kenne. Bei ihrem Gastspiel im Steintor im Mai 1965 war ich in Warschau. Doch worin besteht nach Ihrer Meinung die Mißdeutung ihrer Verse?
B.: Ich glaube nicht mal, daß es eine Mißdeutung ist, sondern, daß sich gewisse Kreise mit der Wahrheit konfrontiert sehen. Ich bin überzeugter Kommunist und ich wiederhole, was ich schon oft gesagt habe: Das Heil der Welt liegt im Sozialismus. Die DDR ist schon ein großes Stück vorangekommen, nachdem die Zeit des Stalinismus vorüber war. Doch auf verschiedenen Gebieten wirkt sich der Dogmatismus noch hemmend aus.
G.: Haben sie ein Beispiel zur Hand?
B.: Nicht nur eins, aber dazu ist es jetzt zu spät und in drei Worten kann man das nicht sagen. Z. B. die Unfreiheit in der künstlerischen Gestaltung. Die Malerei zum Beispiel. Ich komme darauf, weil an Ihrer Wand noch ein gutes Bild fehlt.
G.: Ich kann nicht Tausende für ein Bild ausgeben.
B.: Ich kenne begabte junge Maler, deren Bilder sehr gut und weit billiger sind.
G.: Adresse?
B.: Sollte ich noch einmal nach Halle kommen, sage ich ihnen, wo die Leute in Leipzig und Dresden wohnen.
Meine Einschätzung nach dem Besuch von Biermann ist die, daß er glaubt, neue Freunde gefunden zu haben und sich bestimmt beim nächsten Aufenthalt in Halle bei mir einfinden wird.
gez. "Robby Graf"
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Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Rostock, Abteilung XX
Rostock, 26. Okt. 1966
Ministerium für Staatssicherheit Hauptabteilung XX
Berlin
Eva-Maria Hagen
Dort. Schr. vom 23. 09.1966 Tgb.-Nr: 11224/66
Die Genannte trat in Rostock am 06. Okt. 1966 anläßlich eines Brigadenachmittag im Fred-Wehrenberg-Saal beim VEB Fischkombinat Rostock auf.
Während der Veranstaltung führte sie als Sprecherin durch ein Quizprogramm. Die Fragen beinhalteten Probleme der Rationalisierung der Arbeit im Fischkombinat und waren vorgeschrieben. Diejenigen Brigademitglieder, die die Frage am schnellsten beantworten konnten, durften an Eva-Maria Hagen Fragen stellen oder sich von ihr den Vortrag bestimmter Schlager oder Chansons wünschen.
Während der Veranstaltung gab es keinerlei Hinweise dafür, dass sie bemüht war, Wolf Biermanns Gedichte zu popularisieren. Wolf Biermann selbst, der sich bis dahin auf der Insel Usedom bei dem Kunstmaler Manisch aufgehalten hatte, traf am 06.10. hier in Rostock mit Eva-Maria Hagen zusammen, begleitete sie zu der erwähnten Veranstaltung und übernachtete mit ihr im Hotel "Nordland". Am 07.10.1966 reisten beide gemeinsam nach Berlin. Biermann trat in Rostock überhaupt nicht in Erscheinung.
Während seines 14-tägigen Aufenthaltes in Kosewort/Usedom entfaltete Biermann diesmal eine größere Aktivität, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Dabei nutzte er insbesondere seinen engen Kontakt zu dem jungen Kunstmaler Matthias Weghaupt aus, um mit anderen Personen in Kontakt zu kommen. Weghaupt selbst malte mehrere Bilder von Biermann und verschaffte auch Zutritt zu dem Hause des Malers Prof. Niemeyer-Holstein.
Aus einer bisher nicht überprüften Information geht hervor, dass Biermann im Hause von Prof. Niemeyer-Holstein mit mehreren jungen Leuten aus Zempin und Koserow zusammenkamen, diesen seine Lieder und Songs vortrug. Bemerkenswert ist insofern, da Niemeyer-Holstein noch im Februar 1966 jeden Kontakt mit Biermann ablehnte, weil er keine Unannehmlichkeiten mit seinen Berliner Freunden, dem stellv. Kulturminister Brasch und Carl - E. v. Schnitzler haben wollte.
Leiter der Abteilung XX ...........
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XX/2548 - Quelle: GM Hans Lamprecht‹ -
Reh.: Hpt.. Fahl -
6. 10. 1966
Bericht über meinen Besuch bei B i e r m a n n in der Wohnung von H a g e n (...)
Ich traf Wolf Biermann nicht an, sondern nur seine Mutter Emma. Emma sagte mir, daß Wolf am 7.10. abends aus Dessau zurückgekommen sei. Der Grund seines dortigen Weilers war folgender: Die Eva-Maria Hagen spielt in der dortigen Inszenierung die Titelrolle in ›My fair Lady und zwar zusammen mit Annekathrin Bürger. Die Sache hat folgende Bewandtnis: die Bürger war zuerst für dieses Stück engagiert, bekam Schwierigkeiten mit der Stimme. Die Theaterleitung von Dessau entschloss sich, an die Hagen heranzutreten, sie zu bitten, die Rolle zu übernehmen. Biermann ist dort gewesen, um regietechnisch in diesem Theater zu arbeiten. Ich weiß nicht, ob er dafür bezahlt worden ist, ich glaube das kaum.
Ich hatte während meines Besuches nicht den Eindruck, als wenn das Geld knapp wird, könnt feststellen, daß alte Zinnteller vor kurzer Zeit erworben worden sind (ein Zinnteller kostet in der Regel 20,- MD im Antiquariat), dann konnte ich zwei neue surrealistische Bilder sehen, und zwar sollten die Ostseestimmung darstellen, wie ich aus der Belehrung durch Emma erfahren konnte, ersichtlich war es nicht. Es ist aber auch möglich, daß er die Bilder geschenkt bekam, denn es ist ja bekannt, daß er oft Bilder bekommt, ich hab dafür schon Beispiele gegeben. Dann hab ich gesehen eine Speerspitze von irgendeinem Negerspeer, sowie verschiedene andere Sachen - neue Bücher, die ziemlich teuer sind. Weiterhin hab ich gesehen, allerdings nicht erst beim letzten Mal, einen Marineoffiziersdolch von der sowjetischen Marine. Der Dolch gehört der Eva-Maria Hagen. Sie hat ihn angeblich, wie mir Wolf beim vorletzten Besuch in Berlin sagte, aus der Sowjetunion mitgebracht. Der Dolch ist ein Orginaldolch und trägt eine Nummer.
Ich bitte zu überprüfen, ob den Verkehr bei Biermann und der Hagen folgende Person beobachten kann: Frau Hagen beschäftigt eine Reinigungskraft, deren Mann bei der Volkspolizei ist. Die Frau, deren Name mir leider nicht bekannt ist, wohnt in unmittelbarer Nähe der Hagen im Stadtbezirk Prenzlauer Berg, vielleicht sogar in der Zelter Straße, jedenfalls kann sie nicht weit ab wohnen, ihre Kinder spielten vor der Haustür der Hagen. Sie hat 4 Kinder, das älteste ist 13, das zweite 10 Jahre alt. Emma Biermann sagte, daß Wolf mit der Beschäftigung der Frau bei der Hagen nicht einverstanden ist. Die Hagen ist aber sehr zufrieden mit ihr und will sie aus diesem Grunde behalten. Es ist kaum möglich, daß die Frau in Gespräche mit Biermann verwickelt wird, aber möglich, daß sie u. U. mitbekommen kann, wer anruft, wer dort verkehrt (...)
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HA XX/1 Aktenvermerk Berlin, den 18. 10. 66
Am 18. 10. 1966 teilte der Leiter der KD Dessaus Unterzeichneten mit, daß zu der am 17. 10. im Theater Dessau stattgefundenen Premiere Wolf Biermann mit seiner Mutter anwesend waren. Die anschließende Premierenfeier besuchten Biermann, seine Mutter und Eva-Maria Hagen gemeinsam. Sie hielten sich bis 1.40 Uhr auf wobei festgestellt wurde, daß eine angeregte Unterhaltung mit 2 Personen geführt wurde die der KD namentlich bekannt sind. Nach Verlassen der Feier, die bis gegen 2.30 andauerte, begaben sich Biermann, seine Mutter und Hagen in das Quartier.
Ein schriftlicher Bericht wird durch die KD übermittelt. (Lohr) Oltn.
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- Abschrift -
Kreisdienststelle Dessau, den 18.10.1966
Betr.: Theatersaison "My fair lady"
Bezug: Gegebene Veranlassung
Zur Zeit läuft am Landestheater Dessau die Theatersaison mit dem Musical "My fair lady", besetzt in den Hauptrollen mit Annekatrin Bürger und Eva-Maria Hagen.
Interessant ist von politisch-operativer Bedeutung die Besetzung der Hauptrolle mit Eva-Maria Hagen und die Einflussnahme des Ehemannes Biermann.
Am 16.10.1966 fand die erste Premiere des Musicals in der Besetzung der Hauptrolle mit Annekatrim Bürger statt. An der Premierenaufführung nahmen Eva-Maria Hagen und deren Ehemann Biermann teil. Die Premierenfeier fand im Theater und anschliessend im "Klub der Intelligenz" bis gegen 4.30 Uhr statt.
Biermann und Eva-Maria Hagen nahmen an der gesonderten Premierenfeier im "Klub der Intelligenz" nicht teil.
Am 17.10.1966 fand die zweite Premiere mit der Besetzung der Hauptrolle durch Eva-Maria Hagen statt. Ihr Ehemann Biermann und dessen Mutter nahmen an der Aufführung teil. An der anschliessenden Premierenfeier im Erfrischungsraum des Theaters nahmen Eva-Maria Hagen und Biermann sowie dessen Mutter teil. Sie verblieben im Restaurant bis gegen 1.40 Uhr. Besondere Vorkommnisse gab es während dieser Zeit nicht. Kontaktaufnahmen des Biermann zu anderen Bürgern erfolgten in der Richtung:
Besonderes Interesse für den Biermann zeigte der Direktor der erweiterten Oberschule Pilanthropinim, ............ sowie der Schauspielpartner Gerry Wolff aus der ersten Premierenvorstellung, ......... . Es kam zwischen Biermann und dem Direktor Gen. ........ zum Austausch von Autogrammen, dessen Inhaltsangabe noch überprüft wird. Die während der Premierenfeier anwesenden Personen verhielten sich Biermann gegenüber verhältnismäßig zurückhaltend.
Besondere Vorkommnisse traten nicht auf.
Die z. Zt. laufenden Ermittlungen im Wohngebiet des Biermann und der Eva-Maria Hagen haben bisher keine besonderen Anhaltspunkte negativer Art ergeben.
gez. Körlin, Major
F.d.R.d.A.
Thormann
Uterltn.
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XX/1, Gen. Brosche
Berlin, 4. November 1966
26/ B/19/66/448 -Ed
Vertrauliche Dienstsache
Auszug aus einem GI-Bericht vom 24. Okt. 1966
Eva-Maria H. stellte Robert Havemann die Frage, ob er Arbeit in Aussicht hat. Er verneinte ihre Frage und fügte hinzu, daß das aussichtslos ist. Eva nimmt an, daß Robert sich auch gar nicht ernsthaft darum bemüht. Robert brachte zum Ausdruck, daß er sich Mühe gibt etwas zu bekommen, aber die Leute würden einfach nicht wollen. Bisher wartete er auf eine Antwort, da er aber nichts hörte hat er "ihnen" einfach einen Brief geschrieben. - Eva erzählte, daß Wolf B. jetzt eine fixe Idee hat. Er will auf einem Schiff arbeiten. Vorerst will Wolf versuchen, wenigstens über den Winter da anzukomrnen. Er mÜßte dann 14 Tage arbeiten, und 14 Tage hat er frei. Sie fand, daß er wirklich einen echten Vogel hat. Dabei würde er sich doch die Hände ruinieren.
Wolf, der vorher mit seiner Mutter wegen der Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung unterwegs war, kam zu der Unterhaltung hinzu. Zusammen mit Robert H. war Frau Wagenbach gekommen. Wolf fragte sie, was es denn Neues gibt. Darauf erwiderte sie, daß sie ja gekommen ist, um evtl. etwas Neues zu hören. Sie unterrichtete Wolf darüber, daß "Vietnam" und "Kongo" gut gehen. In diesem Zusammenhang wollte er wissen, ob die "Drahtharfe" noch gekauft wird.
Wolf B. rezitierte:
".... in China, in China, in China hinter der Mauer .... Das 11. Plenum der Partei ....
Wo pinkelt sich der Kunstverein
selbstkritisch an das eig'ne Bein?
muß dabei 'Hosiana' schrei'n
und lügt fast täglich schlauer.
Und wo, in welchem Trauerstaat, ist in den Künsten süß und fad
der Optimismus obligat? ............. In China, in China, in China hinter der Mauer. ....
_________________________
XX / E / 2548 / 66
Quelle-. GM "Hans Lamprecht"
erh.: Oberstltn. Stöß
am: 3. 11. 1966
B e r i c h t
Betr.: Besuch bei Wolf B i e r m a n n am 31. 10.1966
Am 29.10.1966 rief ich Biermann an und teilte ihm mit, dass ich am nächsten Tag, also am Sonntag zu ihm käme. Er sagte mir, ich solle ihn vorher anrufen, da er noch nicht genau sagen könne, zu welcher Zeit er da sei, da er einen Termin mit einem Bekannten vereinbart habe, mit dem er sich unbedingt treffen müsse, und zwar einen Termin auf den Tag, aber nicht auf die Uhrzeit. Am 30.10. rief ich ihn an, um ihm mitzuteilen, daß ich nicht kommen könne, da mein Kumpel, der mit mir nach Berlin fahren will, an unserer Betriebsfeier am 29.10. teilgenommen habe und sich nicht in der Lage fühle, ein Fahrzeug zu fahren. Als Grund für mein Erscheinen hatte ich angegeben, daß ich einkaufen will, und daß ich mich mit einem uns beiden bekannten ehemaligen Studienfreund, Schmelter, treffen möchte, der mir einen Job verschaffen will. Von diesem Job war Biermann vorher schon informiert, ein entsprechender Brief ist dem MfS bekannt. Ich sagte Biermann bei dem Telefongespräch am 29.10., daß wir in Ffo. einen Ruderklub bilden würden, daß meine Frau schwanger sei und verschiedene andere neutrale Sachen, von denen ich aber annehmen mußte, daß sie ihn interessieren.
Nachdem ich ihm also am 30.10. gesagt hatte, daß ich nicht kommen kann, teilte ich ihm mit, daß ich am 31. kommen will. Er war damit einverstanden, jedoch solle ich ihn vorher anrufen, er wisse nicht, ob er da noch da sei. Ich rief ihn am 31. an, und zwar unter seiner Nummer, da meldete sich Emma Biermann und sagte mir, daß er bei der Hagen sei. Ich rief dann die Hagen an, sie meldete sich auch und sagte mir, sie wisse nicht genau, ob es noch Zweck habe, mit vorbeizukommen, da Wolf an die Ostsee fahre. Sie sagte mir, daß er in der Badewanne liege und sie ihn befragen wolle. Einen Augenblick später kam sie wieder an den Apparat und sagte mir: "Wenn Sie sich beeilen, treffen Sie ihn noch. Er will um 15 Uhr fahren."
Wir fuhren daraufhin sofort nach Berlin und ich suchte Wolf in der Wohnung der Hagen auf. Er öffnete mir die Tür und ließ mich in die Wohnung. Ich konnte feststellen, als ich das Wohnzimmer betrat, daß er sämtliche Instrumente eingepackt hatte, zwei Gitarren und noch verschiedene andere Saiteninstrumente. Ich wies darauf hin und sagte: "Na, Du nimmst ja die ganze Kapelle mit." Er: "Ja." Daraufhin sagte ich zu ihm: "Ich habe schon gehört, daß Du zur Ostsee fahren willst. Warst Du schon in Thyssow bei den Leuten von VEB Deutsche Seebaggerei?" Er sagte mir: "Nein, ich war noch nicht da." In diesem Moment trat die Hagen ein und er sagte: "Siehst Du, da hätten wir neulich auch rüberfahren können, wir waren ja dicht dabei, nämlich in Göhren." Daraufhin sagte sie: "Wo denn?" Er: "Nach Thyssow zu den Leuten, die mich da interessieren." Offenbar hatte sie davon Kenntnis und sagte: "Ja, das hätten wir auch machen können, das ist ja nicht weitab." Ich sagte ihm dann: "Hör mal, Wolf, ich habe den Leuten noch nicht geschrieben, soll ich das noch tun?" Er: "Nein, das brauchst Du nicht, ich werde in den nächsten Tagen rüberfahren." Ich habe ihm dann lediglich noch gesagt, daß er sich beeilen muß, denn wenn Eisgang einsetzt, wird die ganze Truppe dort abgezogen.
Er teilte mir dann mit, daß er wieder zu Manisch fährt, nach Ückeritz, und daß er Emma mitnehmen will.
Die Hagen bot mir dann Whisky an, ich habe ihn aber abgelehnt. Er bot sich an, mir irgendeine Erfrischung zu machen. Sie machte mir dann zweimal Milch mit Fruchtsaft.
Wir kamen dann im Verlaufe des Gesprächs darauf zu sprechen, daß meine Frau schwanger sei. Die Hagen erörterte mit ihm recht intensiv, ob es denn keinen Frankfurter Arzt gebe, der ihr praktisch aus der Klemme helfen könne. Sie kam mehrmals darauf zurück. Dann sagte mir Biermann, in bezug auf Schwangerschaftsunterbrechungen gibt es einige Erleichterungen, meine Frau müßte sofort einen Antrag stellen. Daraufhin sagte ich zu ihm: Wolf, das hat sie getan und hat sich daraufhin mit demütigenden Reden abspeisen lassen müssen." Er: "Weshalb denn?" Ich: "Man hat ihr gesagt, dazu sei sie noch viel zu jung, als daß man die Schwangerschaft unterbricht; zum anderen sind Ihre Kinder alle gesund, gut entwickelt und geistig auf der Höhe, das beweise der Umstand, daß von den schulpflichtigen Kindern alle drei auf Spezialschulen sind." Daraufhin sagte er: "Na ja, gut, Preußen braucht offenbar gutes Zuchtmaterial und Ihr seid welches, das ist ein Fluch für Euch." Die Hagen kam nochmals darauf zurück und sagte: "Kennen Sie denn wirklich keinen Frankfurter Arzt?" Ich: "Nein". Dabei wechselten sie des öfteren Blicke. Daraufhin wurde mir vorgeschlagen, ich solle nochmal mit meinem Schwiegervater sprechen. Ich habe daraufhin geantwortet, daß ich das nicht tue, ich könne mir seine Reaktion denken. Er wird mit der Begründung, nicht mit den Gesetzen in Konflikt kommen zu wollen, keine Abtreibung vornehmen. Im übrigen nimmt er Abtreibungen nur bei seinen Leuten vor.
Dann wechselten wir das Gespräch und Biermann erzählte mir von einem gewissen Sellhorn. Dieser hat am Phil. Institut der Humboldt-Universität lt. Biermann studiert, er ist aber kurz vor dem Staatsexamen - wohl 4 Wochen vorher hinausgeschmissen worden - die Gründe dafür sind mir nicht bekannt - und zwar bevor wir unser Studium begannen. Deshalb ist mir der Sellhorn auch kein Begriff. In bezug auf Sellhorn sagte er mir, daß dieser öfter für die Konzert- und Gastspieldirektion, im Monat viermal, irgendwelche Veranstaltungen organisiert unt jedesmal 500,-- erhält, also 2000,-- MD im Monat. B. sagte: "Also 'kein schlechtes Geschäft, nicht?" 'Dann sagte er mir, dass Sellhorn bei den Jazz-Optimisten eine Rolle spielt, er dient da wohl als Conferencier oder Ansager; und in bezug auf die Jazz-Optimisten sagte er mir, auf meinen Einwand, daß ich sie in Ffo. in völlig neuer Besetzung gesehen habe mit Ausnahme des Trompeters, dass der personelle Wechsel gar nichts zu sagen habe, "die Bengels sind in Ordnung" und er gab deutlich zu erkennen, daß er mit den Jazz-Optimisten engen Kontakt hat.
Ich zeigte ihm dann die Parodie auf das Inserat, was über Manfred Krug im "Neuer Tag" war, Diese Parodie war überschrieben mit "Der betrogene Künstler". Der Inhalt des Beitrages war: Die Jugendlichen besorgen sich aus allen möglichen Altersheimen alte Männer mit barbarischen Schnurrbärten und alte Frauen damit Krug das Publikum für würdig erachtet, vor ihm auftreten zu können. Auf die Art wird Krug geprellt. Er ist wirklich der Ansicht, daß es sich hier um alte Leute handelt, und singt. - Hinter diesem Beitrag steht. das Faksimile aus dem "Neuer Tag" von einer Woche vorher "Sanglos abgegangen" und damit schließt die Geschichte ab. Wolf las das durch, reichte es der Hagen und sagte: "Guck Dir das an!" Sie: "Was willst Du denn? Warum regst Du Dich darüber auf?" Er: "Mit diesen primitiven Mitteln wollen sie ihn in Frankfurt rufmorden!" Sie: "Das ist doch überhaupt kein Grund zur Beunruhigung. Wenn sie die Kinos und Theater voll haben wollen, müssen sie bekannte Namen bringen. Krug ist ein bekannter Mann. An den kommt man sowieso nicht ran, das juckt den überhaupt nicht." Daraufhin wurde eigentlich die Unterhaltung über Krug abgebrochen.
Ich sagte dann zu Biermann, daß sich bei uns in Frankfurt ein Kabarett etabliert hätte, und zwar die "Spottkanonen"-, ich glaube des Halbleiterwerkes, die auch einen Kabarettkeller bekommen haben am Karl-Ritter-Platz; daß diese aber, ohne überhaupt in der Öffentlichkeit aufgetreten zu sein, bereits im "Neuer Tag" relativ madig gemacht worden sind. Ich sagte zu ihm: "Stell Dir vor, Du würdest da auftreten. Das würde wie eine Bombe wirken in unserer miefigen Atmosphäre!" Daraufhin er: "Das hat gar keinen Zweck, erstens mal kann ich nicht auftreten und zweitens möchte ich da auch gar nicht auftreten." Ich machte ihm dann einen anderen Vorschlag und sagte: "Ich bin im Begriff eine Sparte Rudern aufzuziehen. Du kannst doch mitmachen, wenn DU lange Weile hast?" Daraufhin beide:
"Langeweile haben wir nie !" Er sagte mir auch, daß er in Hamburg schon gerudert hätte, daß er aber nicht nach Frankfurt kommen möchte, um nicht den Anlaß zu geben, daß unser Ruderverein sofort verboten würde. Ich habe ihm gesagt, daß es mir nicht in erster Linie um das Rudern geht, sondern darum, praktisch einen Schritt zur Freiheit zu tun, indem ich für die Frankfurter die Möglichkeit erkämpft habe, die Oder benutzen zu können, was ja 21 Jahre verboten ist. Das fand an sich auch seinen Beifall.
In bezug auf das 13. Plenum sagte er mir, daß es ihn im Grunde genommen nicht interessiert habe, nur das Referat Mittag war für ihn sehr aufschlußreich, weil da tatsächlich - abgesehen von einigen kleinen Lügen - unsere katastrophale wirtschaftliche Lage endlich mal ehrlich beleuchtet. Er sagte mir in diesem Zusammenhang auch, daß die Kahane zu ihm gesagt habe: "Wir sind sehr stolz auf das 13. Plenum, obwohl wir uns darin vorkamen, wie in einer Versammlung von Großaktionären".
Ich brachte dann noch einmal das Gespräch auf seine Mutter, Emma Biermann, und fragte: "Sie wollte doch schon wieder am 25. 10. nach Westdeutschland fahren?" Er: "Ja, aber wir haben eine Verlängerung ihres Aufenthaltes hier beantragt. Das hat zwar große Schwierigkeiten gegeben, aber sie kann jedenfalls hierbleiben und ich fahre auch mit ihr zur Ostsee."
Kurz vor 15 Uhr stellte sich durch einen Anruf heraus, daß er seinen Wagen, der sich in der Werkstatt befand, nicht zum vereinbarten Zeitpunkt bekommen kann, und durch einen zweiten Anruf stellte sich heraus, daß er auch den Wagen von der Hagen nicht benutzen konnte, was für diesen Fall geplant war, da die Hagen mehrere Tage in Babelsberg zu tun habe. Biermann änderte daraufhin die Konzeption und sagte: "Nun gut, dann fahre ich übermorgen, also Mittwoch oder Donnerstag. Wenn mein Wagen dann noch nicht fertig ist, Eva, so kann ich wohl Deinen nehmen?" Sie antwortete, daß sie dann in Babelsberg fertig sei, er könne ihn also nehmen.
Ich erinnerte Biermann dann um 15 Uhr daran, dass er sich um 15 Uhr mit seiner Mutter treffen wolle, die in seiner Wohnung war. Er sagte, er wisse das, aber er wolle mir schnell noch ein paar Lieder vorsingen. Er sang daraufhin einen amerikanischen Song, den er übersetzt hatte, begleitete sich mit der Gitarre, und sang dann mit der Hagen noch zwei Lieder, auch amerikanische Songs. Eines drehte sich um die 'Widerwärtigkeiten der Welt', das andere war ein Antikriegslied, meiner Ansicht nach völlig neutral.
Wir fuhren dann in Richtung Hackeschen Markt. Ich hatte ihm gesagt, dass mein Kumpel mich erwartet, daß ich vorher noch zu Sch... will. Da seine Wohnung in der Nähe lag, hat er mich eingeladen, mitzufahren. Unterwegs sagte die Hagen zu ihm: "Wolf, ich möchte gern eine neue Pelzmütze." Er: "Na, ich habe Dir doch vor einem Jahr meine geschenkt!", Sie: "Mit Ohrenklappen, ich möchte eine ganz moderne haben." Sie hat ihm beschrieben, welche Mütze sie haben will. Nach längerem Hin und Her lies er sich erweichen und sagte "Kauf Dir doch eine!" Daraufhin freudestrahlend sie-. "Heute noch?" Er: "Mach doch, was Du willst!" Wir waren also auf dem Hackischen Markt, die Hagen stieg aus. Ich saß hinten drin. Sie hatten den Skoda Felicitas, also einen zweitürigen Wagen, kroch dann hinaus, stand schon auf dem Bürgersteig, hatte mich aber in den Wagen gebeugt, weil ich noch mit Biermann sprach. Da klopfte sie mir auf die Schulter und sagte: "Also dann auf Wiedersehen, Herr L.., und wenn Sie hier in Berlin zu tun haben, besuchen Sie uns auf alle Fälle wieder und lassen Sie den Kopf nicht zu sehr hängen." Er sagte ungefähr dasselbe zu mir, ich solle sehen, daß ich bei Sch... klarkomme, damit ich einige Pfennige mehr in die Hand bekomme, als das, was jetzt mein lächerliches Gehalt ausmache. Ich habe dann beobachtet wie Biermann den Wagen wendete und vor das Geschäft fuhr, in das die Hagen gegangen war, um Weintrauben zu kaufen. Als wir mit unserem Wagen vom Parkplatz des Hackeschen Marktes runterfuhren, wendete er seinen Wagen wieder in Richtung Chausseestraße, wo er auch hinwollte. Die Hagen befand sich mit im Wagen. Biermann erzählte mir im Verlaufe des Gespräches in Anwesenheit der Hagen, daß sie zwar schon seit Monaten ihre Gage vom Fernsehen bekommt, aber nicht mehr aufzutreten braucht. Daraufhin sagte ich, daß ich auch mal so leben möchte. Daraufhin sagte sie, ihr wäre es umgedreht lieber, sie möchte gern für ihr Geld arbeiten. Wir kamen dann auch auf Dessau zu sprechen. Er sagte mir, daß Dessau wirklich ein prima Theater habe, 1200 Sitzplätze, so ein Theater habe Berlin kaum, offenbar meinte er das Landestheater in Dessau. Er sagte mir, daß er sich dort praktisch als Regisseur betätigt habe, und zwar als Regisseur für die Hagen. Auf meine Frage, ob man ihn denn so ohne weiteres habe agieren lassen, sagte er mir, daß es vorher eine Beratung gegeben hätte, auch mit dem Oberbürgermeister von Dessau. Nach dieser Beratung sei man sehr aufgeschlossen und freundlich gewesen und ließ ihn auch hinein. Anders war es in Stralsund. Dort mußte die Hagen auftreten, und man hatte ihr gesagt: "Wir hörten, daß Sie mit Ihrem Gatten da sind, es ist aber leider kein Stuhl mehr im Saal frei". Das habe er natürlich für einen primitiven Trick gehalten, aber er wollte die Leute nicht in Verlegenheit bringen. Er habe sich ins Auto gesetzt, ist nach Rostock gefahren, hat sich dort ein Theaterstück angesehen, ist wieder zurückgefahren und hat sie wieder abgeholt-
In bezug auf Sellhorn sagte er mir noch, daß die Konzert- und Gastspieldirektion an Sellhorn herangetreten sei mit folgendem Bemerken: "Herr Sellhorn, Sie kennen doch Biermann. Sagen Sie ihm doch bitte, daß er bei den Veranstaltungen, die Sie organisieren, nicht anwesend ist." Daraufhin hat S. gesagt: "Wenn ich Biermann das sage, kommt er mit Sicherheit, also sage ich es ihm lieber nicht."
Frau Hagen berichtete sehr begeistert über ihren Auftritt in Dessau und auch in Stralsund. Ich sagte zu ihr: "Merken Sie nicht, daß Sie allmählich aus Berlin herausgedrängt werden, daß Sie in die Provinz abgedrängt werden?" Daraufhin sagte Biermann: "Das ist durchaus nicht der Fall, und außerdem ist es wichtig, daß wenigstens einer von uns beiden populär bleibt."
Ich habe den Eindruck, daß bei der Verabschiedung die Worte der beiden durchaus ehrlich gemeint waren. Ich muß bemerken, daß die Hagen mir gegenüber immer relativ reserviert war. Sie war es auch am 31. Ihre Distanz gab sich eigentlich erst in dem Moment, als wir davon sprachen, daß meine Frau schwanger sei, und als intensive Beratungen durchgeführt wurden, wie man dieses Problem beseitigen könne. Daß Frau Hagen mir gegenüber reserviert war, kann sich auf folgendes zurückführen lassen.
Einmal ist ihr bekannt, daß ich sehr häufig bei Frau S. verkehrt habe, der ehemaligen Geliebten von Biermann, und z. a., daß Frau S. und ich uns prima verstehen. Frau Hagen muß darin natürlich immer eine Belastung ihres Verhältnisses sehen, weil sie annehmen muß, daß ich Biermann hinter ihrem Rücken gegen sie im Interesse der S, beeinflusse. Z. a. hatte ich Biermann gegenüber mal die Bemerkung gemacht "Du tauschst die S. gegen die Hagen ein". Ich hatte durchblicken lassen, daß die Hagen eigentlich nach allem, was ich gehört habe, eine Hure sei. Ich habe den Ausdruck 'Hure' nicht wortwörtlich gebraucht, aber ich habe das durchblicken lassen. Dabei bezog ich mich im wesentlichen auf die Meinung von Frau S., die natürlich parteiisch ist, aber auch auf die Meinung von Frau ......., die in der Nähe der Hagen wohnt und mir erzählt hat, daß die H. sehr häufig Männerbesuch hat, daß viele Autos vor der Tür stehen, dass der ganze Stadtbezirk über die Hurereien von der Hagen spricht.
Zurückkommend auf die Bemerkung, die durchblicken ließ, daß ich auf Grund dieser Informationen die Hagen für eine Hure halte, konnte ich feststellen, daß Biermann ziemlich reserviert wurde - eine Erscheinung, die immer bei ihm festzustellen war, wenn man derartige Meinungen über eine seiner zahllosen Geliebten äußerte. Ich habe zu B. gesagt: "Du mußt das besser einschätzen können, ich kenne sie ja nicht. "Daraufhin sagte er ziemlich kurz: "Na eben."
Dieses eben angeführte Gespräch liegt ungefähr ein halbes Jahr zurück, und zwar fällt es genau auf den Zeitpunkt, als sich die offizielle Trennung zwischen Biermann und S. vollzog, und es offenkundig wurde, daß Biermann mit der Hagen ein Verhältnis hatte. Dazu ist zu bemerken, daß Biermann, bevor es offiziell bekannt wurde, in etwa schon ein Jahr vorher ein Verhältnis mit der Hagen hatte. Dieses Gespräch fällt etwa zusammen mit der Geburt seines Sohnes J...., zu diesem Zeitpunkt schied auch das Verhältnis S. Biermann.
gez. "Hans Lamprecht"
Gef. 2 Ex. je 9 Blatt
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HA XX/1
Gen. Stange
Berlin, 26. November 1966/Hei
26//A 10 791/ 58 /66
Bd 715
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM - Bericht:
Eva Maria H. erkundigt sich am 26.11.66 gegen 15,00 Uhr bei dem Herrn B., Wolf nach dem Befinden und teilt ihm mit, daß sie in Dresden wieder im Hotel "Tourist" wohnt. Morgen hat sie 2 Vorstellungen und dann wird sie zur DEFA fahren.
Herr B. unterbricht sie und führt an, daß heute von dem Fernsehfunk eine Mitteilung gekommen ist. Sie soll eine kleine Rolle übernehmen und ein Herr Hübner hat das Manuskript an sie abgeschickt.
Eva dankt. Sie wird sich morgen gleich mit dem Fernsehfunk in Verbindung setzen .
Am Montag wird sie nach Großenhain fahren und am Dienstag ist sie dann wieder in Dresden. Wenn er zu ihr kommen möchte, könnte er höchstens am Dienstag kommen. Herr B. gibt ihr hiernach zu verstehen, daß er jetzt 2000.- MDM bekommen hat. Bei diesem Geld handelt es sich um Westgeld was 1:1 umgetauscht und auf sein Konto überwiesen wurde. Wenn sie Geld brauchen würde, könnte sie sich an ihn wenden. Er möchte ja gern bei ihr sein.
Eva bittet ihn, der Emma viele Grüße zu bestellen. Sie wird sich morgen noch einmal bei ihm melden. Sie wird ihm dann auch sagen, wann sie sich sehen können.
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HA XX/1
Gen. Stange
Berlin, 17. November 1966/Weg.
26/A 10791/42
Bd. 396
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Am 17. 11. 1966 gegen 14.10 Uhr teilt Frau Eva-Maria H a g e n - sie war nicht in Berlin - dem Wolf B. mit, daß sie den Schlüssel mit der Frau Gerdi ..... aus der Gürtelstraße 17 a mitgegeben hat. Sie wird zwischen 6 und 7 Uhr zu Hause sein. Wolf möchte sich aber vorher unter der 58 855 73 anmelden.
Das wird Wolf machen. Er hat nach Eva große Sehnsucht. Für ihn ist es schlimm, wenn er sie nicht sieht. Er vermißt sie sehr. Deshalb seine Frage, ob sie ihn noch liebt.
Eva bejaht.
Wolf glaubt, daß er das auch dringend nötig hat.
Eva hat jetzt sehr zu tun. Sie hat auch wenig geschlafen. Hinzu kommt, daß sie wieder mit ihrem Hautjucken zu tun hat.
Wolf erzählt anschließend, daß er für sie englischen Tee hat. Eva erklärt darauf, daß sie sich morgen wieder melden wird. Darauf wartet Wolf sehr. Es interessiert ihn aber, ob sie dann bei Beyreuters ist.
Eva nimmt es an.
Wolf freut sich, wenn sie sich wieder meldet. Er wird dann in der Zelterstraße sein. Heute nacht hat er bei sich geschlafen, da heute die Kohlen kommen sollten, die dann aber doch nicht kamen.
Eva bittet dem Wolf auf die Nina zu achten, denn sie macht sich Sorgen. Dies möchte er auch der Haushälterin sagen.
Wolf wird sich darum kümmern.
Vielleicht meldet sie sich auch heute abend schon, denn zur DEFA braucht sie nicht.
Darüber ist Wolf froh. Er bedauert nur, daß sie Eva nochmals gefärbt haben.
Eva wird jetzt losfahren, da sie noch etwas schlafen wird. Sie fährt mit einem Wolga. Auf alle Fälle kann sie sagen, daß sie Sehnsucht hat. Sie bestätigt auch Wolfs Frage, ob sie immer an ihn denkt. Sie denkt immer an Wolf. Beide küssen sich.
Wolf stellt abschließend noch die Frage, wann sie wieder in Dresden ist. Diese Frage wird aber von der Eva nicht mehr beantwortet, da sie die Unterhaltung beendet.
Wegner
Hauptabteilug XX/3 Berlin, den 18. 11. 1966
I n f o r m a t i o n
Wie die Quelle aus ihrem Bekanntenkreis erfahren konnte, tritt im gegenwärtigen Programm des Varietés "Am Steintor" in Halle die Eva-Maria Hagen auf. Sie singt dort sogen. "freche Liedchen". Der Text stammt von Wolf Biermann, ohne daß das im Programm angekündigt ist.
Näheres dazu ist der Quelle nicht bekannt.
Stiel, Major
FdRdA: .................
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HA XX/1
Gen. Stange
Berlin, 19. November 1966/Weg.
26/A 10791/48/66
Bd. 589,766
Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht
Auszug aus einem IM-Bericht:
Am 18. 11. 1966 nach 23.00 Uhr berichtete Frau H a g e n, Eva-Maria dem Wolf B., daß sie jetzt in Dresden ist.
Wolf ist auch erst eben nach Hause gekommen, wird aber gleich in die Zelterstraße fahren. Er war heute abend in der Staatsoper und sah sich dort die Uraufführung des Requiems von Kurt W e i l l an sowie die "Sieben Totsünden". Spät abends sah er sich dann auch noch den B r e c h t - Abend mit der Vera O e l s c h l e g e l an.
Dieser Abend war aber nach Wolfs Meinung beschissen. Es war Wolf schon peinlich gewesen, wobei es Wolf auf der anderen Seite auch leid tat. Er konnte auch gar nicht verstehen, daß die Vera nicht merkte, wie das Publikum reagierte, sondern immer wieder Zugaben machte. Dadurch waren die Leute erst recht sauer. Wolf betont, daß die Vera nicht singen kann.
Eva wendet ein, daß sie sich das gar nicht vorstellen kann. Die Vera war doch schon in Polen und WD usw... Da muß sie doch singen können. Wenn Wolf es jetzt aber so sagt, wird es schon stimmen, denn er hat ja davon Ahnung.
Wolf kann nur sagen, daß die Vera keine Stimme hat. Ihr Erfolg kommt nur daher, daß sie gemanagt wird, eine Künstlerin ist es aber nicht. Sie stand gestern vor einem gebildeten Publikum, das der Vera ganz kalt gegenüber saß und nur aus Höflichkeit klatschte, sie das aber nicht merkte sondern immer wieder Zugaben machte.
Beide kommen dann auf Nina zu sprechen. Wolf berichtet, daß er mit ihr einen Zusammenstoß hatte, sie sich jetzt aber wieder vertragen haben. Für Wolf ist es schwer, da er über Nina keine Macht hat.
Eva wird im Dezember wieder nach Halle gehen und sich vorher mehr um Nina kümmern, wenigstens ein paar Tage.
Wolf hat jetzt jede Nacht dort geschlafen, ist auch früh aufgestanden, um mit der Nina zu frühstücken. Außerdem hat er sich auch ihre Schularbeiten angesehen und mit ihr darüber gesprochen. Eva braucht sich also keine Sorgen machen.
Eva macht sich doch welche. Sie ist ja das letzte halbe Jahr schon kaum noch zu Hause und Nina wird doch dadurch nur fremd. Eva wird morgen abend wieder frei haben, am Sonntag ist sie dann in Pirna und Montag hat sie wieder frei. Am Dienstag wollte sie etwas erledigen. Am 25. wird sie dann wieder in Dresden sein, während sie am 26. in Dessau (o. ä.) ist. Am Sonntag ist nichts, wobei hier die Möglichkeit besteht, daß es auf den 30. verlegt wird. Am 1. wird sie dann wieder in Halle sein. Eva wird es sich überlegen, ob sie dann am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag nach Hause kommt, eventuell kann sie schon am Montag fahren.
Wolf würde gern kommen, denn wenn Eva morgen und Sonntag frei hat, könnten sie ja zusammen sein.
Das würde Eva auch gern sehen.
Leider ist aber Emma hier. Wolf wird aber mit ihr sprechen. Das lehnt Eva ab, denn wenn Emma schon einmal hier ist, soll er sich um sie kümmern.
Wolf möchte sodann wissen, ob Eva das Manuskript gelesen hat. Eva verneint. Sie will es aber trotzdem weiter machen, denn den Grund kennt Wolf ja.
Eva bemerkt in der weiteren Unterhaltung, daß sie mit dem VW einen Unfall hatte, wobei sie aber nicht der Schuldige ist. Es ist auch weiter nichts passiert, nur der Kotflügel ist eingebeult.
Wolf ist schon froh, daß ihre Kotflügel nicht beschädigt wurden, daß Auto werden sie schon wieder reparieren lassen.
Da Wolf doch die Absicht hat Eva in Dresden zu besuchen, fragt er wo sie wohnt.
Eva wohnt in Dresden in einer Pension die unter 35 468 zu erreichen ist. In Babelsberg wohnte sie im Gästehaus, wobei sie die letzte Nacht bei .... (o. ä.) schlief. In diesem Zusammenhang erwähnt sie, daß sie Wolf von ...... grüßen soll. Wolf erwidert diesen Gruß mit dem Hinweis, daß sie auch den grüßen soll, denn er hat Eva ja immer gefahren. Eva wird es machen.
Am 19. 11. 1966 gegen 8.35 Uhr erkundigt sich Wolf B. bei der Zugauskunft, wann heute gegen mittag ein Zug von wo nach Dresden fährt. Eine Dame erläuterte, daß gegen 12.31 Uhr ein Zug nach Dresden vom Ostbahnhof fährt, der dann gegen 15.59 Uhr in Dresden ist.
Gegen 8.40 Uhr erzählte Wolf B. einer Dame aus Dresden, daß er der Mann der Frau H a g e n, Eva-Maria ist. Er bittet Eva nun auszurichten, daß er heute gegen 15.59 Uhr in Dresden eintrifft. Sie möchte ihn dann vom Bahnhof abholen.
Die Dame wird es ausrichten, weiß aber gar nicht, ob Frau H. heute gekommen ist.
Wolf bejaht dies, denn er hat ja schon gestern abend mit ihr gesprochen.
Die Dame glaubt, daß Frau H. dann noch schläft.
Gegen 8.40 Uhr teilt Wolf B. einen Herrn aus Dresden mit, daß er heute in Dresden sein wird. Nun hätte er den Herrn gern besucht. Der Herr wird heute zu Hause sein, hatte aber die Absicht ins Kino zu gehen.
Dann soll er ruhig gehen, denn Wolf wird auch übermorgen noch in Dresden sein.
Wegner
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